Asset Allocation Insights

Unsere monatliche Einschätzung der Asset-Allokation (September 2017)

Mittwoch, 09/06/2017
Mittwoch 06/09/2017 - 11:06
Fabrizio Quirighetti Macroeconomic Strategist
Hartwig Kos
Adrien Pichoud Chief Economist & Senior Portfolio Manager
Luc Filip Head of Discretionary Portfolio Management
  • Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen könnten derzeit kaum günstiger sein, und dieses Umfeld wird wahrscheinlich wohl in den kommenden Monaten anhalten.
  • Jackson Hole war eher ein Reinfall, den man wie folgt zusammenfassen könnte: „Noch längere Zeit bestehende lockere Geldpolitik, aber bitte keine Abschaffung von Bankenregulierungen.“
  • In unseren Multi-Asset-Portfolios haben wir die allgemeine Risikobereitschaft leicht positiv (+) und das Durationsrisiko niedrig (--) belassen.
Die positive oder negative Haltung gegenüber globaler Risikobereitschaft und wesentlichen Anlageklassen wird auf einer sechsstufigen Skala von (+++) bis (---) bewertet.
Allokationsraster

Schuldenobergrenze wird wahrscheinlicher
erreicht als die Inflationsobergrenze

Um es vorweg gleich klar zu sagen: Am wirtschaftlichen Umfeld, unserer Analyse der Bewertung von Vermögenswerten oder an unserem Risikorahmen hat sich nichts Wesentliches geändert, um bedeutende Veränderungen an unsere Positionierung zu empfehlen. Noch nicht einmal die Tweets von Donald Trump oder geopolitische Probleme wie die Spannungen mit Nordkorea, die Krise in Venezuela oder neue Terroranschläge in Europa scheinen den aktuellen/wirtschaftlichen Hintergrund mit einem im Gleichklang verlaufenden globalen Wachstum bei niedriger Inflation und einer sehr lockeren Geldpolitik etwas anhaben zu können.

Gleichzeitig erwies sich auch die Berichtssaison als förderlich. Dies gilt insbesondere für die USA, wo hohe positive Ergebnisse erzielt wurden und in rund 70% der Unternehmen der Ist-Umsatz die Erwartungen übertraf. In Europa sah die Lage durchwachsener aus, wahrscheinlich weil hier die Erwartungen zu hoch geschraubt waren. Dennoch können Umsatz- und Ergebniszuwächse von 7-8% bzw. 15-16% im Jahresvergleich nicht als schlecht bezeichnet werden können. Die rasche Verteuerung des Euro über den Sommer (der in gewissem Umfang von der Schwäche des Dollars profitierte) belastete die Performance europäischer Aktienmärkte in lokaler Währung. Wenn man für die nächste Zeit von einer stabileren EUR/USD-Parität oder sogar einem wahrscheinlichen Rückgang auf 1,15 in den kommenden Monaten ausgeht, bleibt das Outperformancepotenzial bei europäischen Aktien in Sachen Bewertung intakt. Wir haben den Euro taktisch auf leicht negativ heruntergestuft (gegenüber dem US-Dollar) und unsere Präferenz für europäische Aktien bekräftigt.

Verspätet sich die Inflation oder ist sie tot? Das scheint die 100.000.000-Dollar-Frage für Zentralbanken und Anleger gleichermaßen zu sein, da inzwischen ein klarer Konsens hinsichtlich des Wirtschaftswachstums herrscht. Auch wenn die aktuelle synchron verlaufende Expansion bei Weitem nicht spektakulär ist, bietet sie andere Vorteile, da es sich um ein globales und sehr stetiges Phänomen handelt. Das bedeutet niedrige Volatilität und begrenzte Unsicherheiten. Der Normalisierungsprozess stützt sich also im Wesentlichen auf den Inflationszyklus. In diesem Zusammenhang war Jackson Hole eher ein Reinfall, den man wie folgt zusammenfassen könnte: „Noch längere Zeit bestehende lockere Geldpolitik, aber bitte keine Abschaffung von Bankenregulierungen.“ Das erinnert mich an einen Schwarm Glühwürmchen, die die Feuerwehr bitten, weiter vorsichtig und nahe genug zu bleiben, um eine Katastrophe zu verhindern. Zentralbanken und verschiedene Anleger meinen ja, die Inflation bei Waren und Dienstleistungen habe sich nur ein bisschen verspätet. Wir glauben jedoch, die Inflation ist tot. Die aktuelle Geldpolitik schafft es inzwischen sehr viel effektiver, Inflation bei den Kursen von Vermögenswerten, Verwerfungen im Finanzsystem und zunehmende Ungleichgewichte zu schaffen. Hierfür braucht es immer noch mehr Regulierung und noch mehr Feuerwehrleute, um das Ganze in Schach zu halten.

Mit Blick auf September erwarten wir nicht, dass sich bei der nächsten Sitzung der Europäischen Zentralbank oder der US-Notenbank wesentliche Änderungen an den Ausstiegsstrategien ergeben. Allerdings drohen in den USA die Debatten über die Schuldenobergrenze, die bis Ende September zu verschiedenen Volatilitätsspitzen führen können. Die US-Politik und insbesondere die Trump-Regierung sind sehr viel volatiler und unberechenbarer als Wirtschaftswachstum, Inflation oder Zentralbankentscheidungen. Wir hoffen nur, dass ihre Entscheidungen keine lang anhaltenden negativen Konsequenzen nach sich ziehen.

_Fabrizio Quirighetti

Der wirtschaftliche Hintergrund auf einen Blick

Ein Jahrzehnt nach Beginn der Finanzkrise erlebt die Weltwirtschaft endlich eine synchrone Expansion. Dass die vier größten Wirtschaftsregionen gleichzeitig positives Wachstum verzeichnen, hat es seit der Rezession 2008/2009 nicht mehr gegeben, als in den USA, in Japan, Europa und dann auch China abwechselnd länderspezifische Konjunkturschwächen zu beobachten waren. Und auch wenn das Potenzial für weitere Verbesserungen begrenzt erscheint, da es in der zweiten Jahreshälfte zu einem leichten Verlust an Dynamik kommen dürfte, sind auch die Abwärtsrisiken in den nächsten sechs bis zwölf Monaten recht begrenzt, ausgenommen potenzielle externe Schocks in der Geopolitik oder bei Rohstoffen. Eine derartige Stabilität in den Aussichten in einem Umfeld, in dem die Inflation positiv, aber hartnäckig niedrig bleibt, schafft für Zentralbanken einen nahezu perfekten Rahmen: Es besteht kein Bedarf an einer weiteren Lockerung ihrer Politik, aber auch keine dringende Notwendigkeit zu deren Normalisierung. Sie können es sich leisten, ganz allmählich und vorsichtig vorzugehen. Dies trägt zu einem sehr günstigen makroökonomischen Bild bei, das sich aus stabilem positivem Wirtschaftswachstum, positiver niedriger Inflation sowie lockerer und berechenbarer Geldpolitik zusammensetzt. Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen könnten derzeit kaum günstiger sein, und besser noch: dieses Umfeld wird wahrscheinlich wohl in den kommenden Monaten anhalten.

 

Wachstum

Im Sommer war kaum eine (sichtbare) Wolke bei den globalen Wachstumsaussichten zu erkennen, da der Konjunkturzyklus seine Dynamik nachdrücklich stabilisierte. Unvermeidlich wird es irgendwann Winter, doch für die Wirtschaftsaussichten scheint eine solche Drohung in weiter Ferne zu liegen.

 

Inflation

Die Phillips-Kurve wird immer noch durch weiterhin verhaltene Inflationsraten in Frage gestellt, obwohl die Arbeitslosenquote in den Industrieländern überall zurückgeht. Strukturelle disinflationäre Trends wie technologischer Wandel, Freihandel, demografische Entwicklung und steigende Schulden halten derzeit alle Inflationskennzahlen im Zaum, angefangen von den Löhnen bis hin zu den Verbraucherpreisen.

 

Geldpolitik

Der Schlüssel für eine Fortsetzung eines solch positiven gesamtwirtschaftlichen Umfeldes liegt in den Händen der Zentralbanken. In hochverschuldeten Volkswirtschaften müssen sie mit Bedacht zu Werke gehen, wenn sie eine Normalisierung anstreben. Bislang haben die US-Notenbank, die EZB und die Bank of Japan auf ihre Vorsicht hingewiesen. Doch jede Hast auf dem Weg zur geldpolitischen Normalisierung könnte Störeffekte bewirken. Eine überzogene geldpolitische Straffung ist derzeit das Hauptrisiko, das die weltweit blendenden makroökonomischen Aussichten überschattet.

„Ein Jahrzehnt nach Beginn der Finanzkrise erlebt die Weltwirtschaft endlich eine synchrone Expansion.“
Adrien Pichoud Chief Economist & Senior Portfolio Manager
Trends und Niveau der Einkaufsmanagerindizes im verarbeitenden Gewerbe
Einkaufsmanagerindizes
Quelle
Factset, Markit, SYZ Asset Management. Stand der Daten: Juli 2017
Inflationstrend und Abweichung vom Ziel der Zentralbank
Inflation
Quelle
Factset, SYZ Asset Management. Stand der Daten: Juli 2017

Industriestaaten

In den USA stechen die Inflationsdaten nach wie vor aus einem ansonsten ziemlich harmonischen wirtschaftlichen Hintergrund von leichtem ausgewogenem Wachstum heraus. Tatsächlich warteten Preisindizes wieder mit negativen Überraschungen auf, und die jährlichen Inflationsraten schwächen sich derzeit ab. Doch angefangen vom Umsatz im Einzelhandel über alle Verbraucher- und Unternehmensumfragen bis hin zu den Investitionsausgaben: Die US-Wirtschaft expandiert mit robustem Tempo. Die Fed hat durchblicken lassen, dass bei der nächsten Sitzung ihres Offenmarktausschusses am 20. September der Beginn ihres Bilanzabbaus angekündigt werde. Eine solche Ankündigung würde sicherlich leichter fallen, wenn bis dahin die Inflation ein klein wenig zulegen würde. In der Zwischenzeit werden der näher rückende Termin für die Schuldenobergrenze und eine mögliche Stilllegung der Regierung die Trump-Administration und den Kongress zusätzlich unter Druck setzen, um zu einer Einigung über versprochene Steuerreformen zu gelangen.

In der Eurozone bleibt das solide Wachstum weit verbreitet. Das zeigt sich an den BIP-Daten für das 2. Quartal, bei denen selbst Italien eine Beschleunigung erkennen lässt. Doch nach der kräftigen Verbesserung im ersten Halbjahr ist es kein Wunder, dass sich die Indikatoren allgemein auf hohem Niveau stabilisieren, denn das Wachstum kann nicht sehr viel mehr von seinem langfristigen Potenzial abweichen. Die jüngste Aufwertung des Euro, die die Rede von Mario Draghi im Juni ausgelöst hat, entwickelt sich vielleicht zur Bremse (für exportorientierte Branchen) und erschwert auch die Aufgabe der EZB, da dies die Inflationserwartungen dämpft.

Auch die japanische Wirtschaft läuft derzeit oberhalb ihrer potenziellen Wachstumsrate, unterstützt durch die starke Binnennachfrage. Aber genau wie in den USA oder in Europa ist durch dieses reale BIP-Wachstum kein Inflationsdruck entstanden. Das hat die BoJ veranlasst, an ihrer akkommodierenden Haltung festzuhalten. In den letzten beiden Jahrzehnten hat die BoJ stets der Versuchung nachgegeben, die Geldpolitik bei den ersten ermutigenden Anzeichen zu normalisieren, nur um dann kurze Zeit später wieder eine Kehrtwende vollziehen zu müssen. Haruhiko Kuroda scheint sehr darauf bedacht zu sein, diesen Fehler nicht zu wiederholen.

 

Schwellenländer

Auch bei Schwellenländern erfreut sich die überwiegende Mehrheit eines positiven Wachstums. Lediglich den von politischen Turbulenzen gebeutelten Brasilien und Südafrika (ganz zu schweigen von Venezuela) gelingt es nicht, am weltweiten Aufschwung teilzuhaben. Die chinesische Wirtschaft hat sich stabilisiert. Zu Hilfe kam ihr dabei die Feinabstimmung wirtschaftspolitischer Maßnahmen, die vor dem Nationalkongress Stabilität herbeiführen sollen. Die Auslandsnachfrage aus Industriestaaten, ein etwas schwächerer Dollar und weltweit niedrige Zinsen schaffen günstige Wachstumsbedingungen für die meisten asiatischen, osteuropäischen und lateinamerikanischen Volkswirtschaften.

_Adrien Pichoud

Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt im Gleichklang verlaufendes positives globales Wachstum
Zum ersten Mal seit einem Jahrzehnt im Gleichklang verlaufendes positives globales Wachstum
Quelle
Factset, SYZ Asset Management. Stand der Daten: August 2017

Anlagestrategie-Gruppe: Wichtige Erkenntnisse

Risiko und Duration

Keine Änderung der Einschätzung. Wir belassen unsere Risikoeinschätzung bei einer leichten Präferenz und die Durationspositionierung bei einer Abneigung.

„US-Bewertungen sind eindeutig nicht sehr attraktiv, aber die „schockierende“ US-CAPE Ratio von 30 schießt eindeutig über das Ziel hinaus.“
Hartwig Kos

Aktienmärkte

An unseren Länderpräferenzen hat sich nichts geändert. Europa bleibt unser bevorzugter Aktienmarkt, gefolgt von Großbritannien, Japan und den USA. Unsere Einschätzung von Schwellenländern ist neutral bis leicht negativ. Einer der Charts, der vor Kurzem Schlagzeilen machte, ist die CAPE Ratio von Robert J. Shiller für den S&P 500. Das zyklisch bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE Ratio) glättet die Auswirkungen von Wirtschaftszyklen auf Kurs-Gewinn-Verhältnisse durch eine Bereinigung des Inflationsdrucks auf die Ergebnisse. Die durchschnittliche CAPE Ratio lag für den S&P zwischen 1881 und 2017 knapp unter der Marke von 17. Im Juli erreichte diese Kennzahl mit einem Wert von 30 den höchsten Stand in nahezu 140 Jahren. Das zweithöchste Bewertungsniveau trat in den 1920er Jahren auf und erreichte mit 32,6 im September 1929 den Spitzenwert. Während der Dotcom-Blase dagegen kletterte die Ratio CAPE im Dezember 1999 auf den höchsten Stand von 44,2. Immer wenn der S&P eine CAPE Ratio von 26 oder höher erreichte, belief sich die anschließende durchschnittliche 36-Monatsrendite auf 4,2%. Sollte das nicht die Alarmglocken läuten lassen? Die CAPE Ratio weist eine Reihe von Mängeln auf. Sie nimmt einen zehnjährigen Konjunkturzyklus an, der historisch aber kürzer ist. Demgegenüber beruht die Inflationsbereinigung auf einem VPI-Korb, der sich viele Male geändert hat. Durch Änderungen an Rechnungslegungs- und Steuervorschriften hat sich die Zusammensetzung von Unternehmensgewinnen im Laufe der Zeit ebenfalls verändert. Ungeachtet dessen ist die CAPE Ratio ein guter Weg, um Störeinflüsse aus Bewertungen herauszufiltern und das langfristige Bild zu betrachten. Zum Vergleich verschiedener Märkte haben wir die CAPE Ratio für die wichtigsten Aktienmärkte anhand von MSCI-Indizes rekonstruiert. Unseren Daten zufolge kommt die CAPE Ratio von 29 in den USA der ursprünglichen Datenmenge von Shiller sehr nahe, die auf dem S&P 500 basierte. Für Japan liegt die CAPE Ratio bei 26, für Europa bei 20 und für Großbritannien bei 18. Laut dieser Kennzahl sind die USA eindeutig teurer als andere Märkte. Wie sieht im Vergleich dazu der von SYZ herangezogene eigene Rahmen für Aktienrisikoprämien aus? Um die Ähnlichkeiten zwischen den beiden Bewertungsrahmen zu prüfen, haben wir das Gegenteil der CAPE Ratio, d. h. die CAPE-Gewinnrendite, genommen und davon die zyklisch bereinigte Anleihenrendite (also den zehnjährigen Durchschnitt) abgezogen. Dieser Rahmen ist dem hinreichend bekannten Modell der US-Notenbank ähnlich. Dies deutet darauf hin, dass US-Aktien zwar nach wie vor 0,8% günstiger als Anleihenmärkte sind, aber erheblich teurer als ihre westlichen Pendants. US-Bewertungen sind eindeutig nicht sehr attraktiv, aber die „schockierende“ US-CAPE Ratio von 30 schießt eindeutig über das Ziel hinaus.

 

Obligationenmärkte

Zweifellos werden Aktienmärkte nach wie vor durch die teuren Anleihenmärkte gestützt. Allerdings ist durch den Renditeausverkauf in den Sommermonaten wieder etwas an Wertpotenzial in die Anleihenmärkte zurückgekehrt. Anleihen aus Schwellenländern und inflationsindexierte Anleihen bleiben die bevorzugten Segmente innerhalb der Anlageklasse. Kanadische Linker wurden von leicht negativ auf leicht positiv heraufgestuft, und unsere extrem negative Haltung bei deutschen Bundesanleihen hat sich etwas abgeschwächt.

„Die drei wichtigsten Auslöser hierfür waren der Einbruch der politischen Risikoprämie in Europa und die Deflation des „Trump Trade“. Hinzu kommt, dass Anleger immer mehr einen geldpolitischen Wandel aufseiten der EZB erwarten (auch wenn dies aufgrund der Euro-Stärke inzwischen in Frage steht).“
Hartwig Kos

Devisen, Besondere Chancen und Barmittel

Eine der wesentlichen Entwicklungen über den Sommer war die rasche Abwertung des US-Dollars, vor allem im Verhältnis zum Euro. Innerhalb von neun Monaten hat sich der Euro von einer annähernden Parität hin zu einem Stand von 1,20 gegenüber dem US-Dollar bewegt. Technisch betrachtet liegt der Euro-Spotkurs knapp 10% über seinem gleitenden 200-Tage-Durchschnitt. Das ist die extremste technische Bewegung seit der globalen Finanzkrise.

Die drei wichtigsten Auslöser hierfür waren der Einbruch der politischen Risikoprämie in Europa und die Deflation des „Trump Trade“. Hinzu kommt, dass die Märkte immer mehr einen geldpolitischen Wandel aufseiten der EZB erwarten, auch wenn dies aufgrund der Euro-Stärke inzwischen wieder in Frage steht.

Das Tempo der Aufwertung lässt sich nach unserer Auffassung durch einen mangelnden kurzfristigen Bewertungsrahmen für Währungen erklären. Dadurch verschärfen sich Trendmerkmale und die Volatilität an Devisenmärkten. Wenn man Aktien als Beispiel heranzieht, so sinkt die Dividendenrendite, wenn der Aktienkurs steigt und umgekehrt. Das vermittelt Anlegern zumindest ein gewisses Signal, wie teuer eine Aktie ist. Bei Wechselkursen existiert kein ähnlich prägnanter Bewertungsrahmen. Die Aufwertung einer Währung steht nicht automatisch mit einem Anstieg des Zinsdifferenzials zwischen Ländern in Zusammenhang. Zurückzuführen ist dies auf die Tatsache, dass Zinsen durch die Zentralbankpolitik bestimmt werden, die sich nicht notwendigerweise infolge von Änderungen an einem Wechselkurs ändert. Die jüngste Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar ist hierfür ein gutes Beispiel. Das Zinsdifferenzial zwischen den dreimonatigen US-T-Bills und dreimonatigen Termingeldern in Europa beläuft sich derzeit auf 130 Basispunkte zugunsten des Dollars. Als sich im vergangenen Dezember Euro und Dollar der Parität näherten, lag dieses Zinsdifferenzial bei 80 Basispunkten. Das bedeutet, dass sich innerhalb von neun Monaten mit einem starken Euro das Zinsdifferenzial um 50 Basispunkte zugunsten des US-Dollars verschoben haben. Die Konsequenz aus dieser fehlenden Verankerung in den Devisenmärkten lautet, dass sie sehr viel anfälliger als andere Finanzwerte für den Trend sind und dass sich Anleger sehr viel mehr auf technische Signale und Annahmen stützen. Auch wenn der Euro nach unserer Einschätzung im Vergleich zum Dollar stark bleiben wird, denken wir, dass dieser Trend in Kürze eine Pause einlegen wird. Zurückzuführen ist das auf das rasche Tempo bei der letzten Aufwertung, die entgegen den Marktannahmen verlief, und verhaltene Erwartungen an Zinserhöhungen durch die US-Notenbank infolge der Steuerreform von Donald Trump.

_Hartwig Kos