Die große Rezession von 2007-2008 und die daraus folgende Schuldenkrise von 2011-2012 haben die Eurozone nach Mordor geführt und zu einer Region ohne wirtschaftliche Zukunft mit einem schwachen Wachstum gemacht, in der hohe Arbeitslosigkeit herrscht, sich faule Kredite anhäufen und Reformen fehlen. Die anhaltend dunklen Wolken über der Eurozone förderten den Aufstieg von Populismus und den politischen Rückschritt, so dass in jüngster Zeit ein Zusammenbruch sehr wahrscheinlich geworden ist. Besonders bedrohlich war dies, weil diese Gefahr von Frankreich ausging, einem der Gründungsmitglieder des europäischen Projekts, in dem die Merkmale von Rand- und Kernländern zusammentreffen und miteinander in Einklang gebracht werden. Mit anderen Worten: Die finstere Nacht war nahe, obwohl Gandalf-Draghi alles Erforderliche unternahm, um das Schlimmste zu verhindern.
Wie in jedem guten Film aus Hollywood kam es dann glücklicherweise zu einer plötzlichen und beinahe unglaublichen Wende, die einen neuen Wind der Hoffnung brachte: Nach dem Ergebnis in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Frankreich wird der bislang unbekannte Frodo-Macron wahrscheinlich der nächste Präsident werden. Das ist so, als ob plötzlich ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen ist, mit einem klaren und beinahe blauen Himmel, und Anleger erkennen, dass die wirtschaftlichen Aussichten der Eurozone gar nicht so düster sind wie vorher gedacht. Tatsächlich liegt das reale BIP-Wachstum derzeit bei etwa 2% und bewegt sich von daher auf einem Niveau, das seit der kurzfristigen Erholung im Jahr 2010 nicht mehr zu sehen war. Es ist also mit der Entwicklung des US-Markts vergleichbar, wenn nicht sogar besser, und eindeutig höher als sein Potenzial, das auf etwa 1% geschätzt wird. Darüber hinaus legt die Nachfrage zu, da die Arbeitslosenzahlen von den extrem hohen Ständen weiter sinken dürften. Bei faulen Krediten dürfte sich die Situation in Anbetracht des steigenden nominalen Wachstums bessern. Eine willkommene Dosis Hoffnung und Reformen werden möglicherweise die schleppenden Investitionen von Unternehmen im In- und Ausland ankurbeln.
Zusammengefasst ist die europäische Erholung im Vergleich zu dem seit acht Jahren in Folge dauernden Aufschwung der US-Wirtschaft relativ neu (und irgendwie auch unerwartet). Die Trumpenomics-Effekte und Reflationshoffnungen schwinden bereits, während Macron jetzt möglicherweise als Retter angesehen wird, der den Euro wiederbelebt und Frankreich zurück zu seinem Glanz verhilft. Infolgedessen halten wir es für an der Zeit, das Risiko in den Portfolios wieder zu erhöhen. Dies gilt insbesondere für europäische Aktien, die relativ interessante Bewertungen aufweisen und von daher beträchtliches Kapital aus dem Ausland anziehen dürften, das in den letzten Jahren von den Märkten abgezogen wurde. Unsere Durationspositionierung wurde leicht herabgestuft, da für deutsche Renditen nun ein Aufwärtsrisiko besteht, wenn Anleger damit beginnen, eine Drosselung der quantitativen Lockerung in Europa einzupreisen. Wir bewegen uns immer noch in einem globalen Szenario, das sich ähnlich wie die verlorenen Jahrzehnte in Japan darstellt, zumindest so lange bis durchgreifende soziale, wirtschaftliche und politische Reformen durchgeführt werden. Europa steuert derzeit auf das obere Ende der Bandbreite zu, während es in den USA wahrscheinlich schon abwärts geht. Wenn wir Recht haben, sind US-Treasuries unter den Staatsanleihen das „geringere Übel“ und die Ära des starken US-Dollars liegt definitiv hinter uns.
_Fabrizio Quirighetti