Asset Allocation Insights

Unsere monatliche Einschätzung der Asset Allocation (Oktober 2019)

Montag, 10/07/2019

Die Zeit des Schulbeginns nach den Ferien war zwar ereignisreich, brachte jedoch nicht wesentlich mehr Klarheit über die makroökonomische Lage. So steht immer noch nicht fest, ob der kontinuierliche Rückgang der Industrietätigkeit die Weltwirtschaft am Ende in eine Form der Rezession hineinziehen wird oder ob der private Konsum und die Unterstützung der Zentralbanken das Wachstum in den nächsten Monaten stützen werden.

In den letzten Wochen gab es sogar noch einige zusätzliche Unsicherheit. Zunächst wurden die Anleger an die hochgradig volatile Situation im Nahen Osten und an die Energiepreissensibilität gegenüber geopolitischen Entwicklungen in der Region erinnert.

Montag 07/10/2019 - 09:52
Adrien Pichoud Chief Economist & Senior Portfolio Manager
Maurice Harari Senior Portfolio Manager
Luc Filip Head of Discretionary Portfolio Management

SCHMALER GRAT

Die Zeit des Schulbeginns nach den Ferien war zwar ereignisreich, brachte jedoch nicht wesentlich mehr Klarheit über die makroökonomische Lage. So steht immer noch nicht fest, ob der kontinuierliche Rückgang der Industrietätigkeit die Weltwirtschaft am Ende in eine Form der Rezession hineinziehen wird oder ob der private Konsum und die Unterstützung der Zentralbanken das Wachstum in den nächsten Monaten stützen werden.

In den letzten Wochen gab es sogar noch einige zusätzliche Unsicherheit. Zunächst wurden die Anleger an die hochgradig volatile Situation im Nahen Osten und an die Energiepreissensibilität gegenüber geopolitischen Entwicklungen in der Region erinnert.

Danach kam es nach der wenig überraschenden Ankündigung zusätzlicher Schritte für bessere Kreditbedingungen seitens der Fed und der EZB zu ungewöhnlichen Unstimmigkeiten in den beiden Institutionen, was die Vorteile dieser Schritte betrifft. Eine beträchtliche Anzahl von Mitgliedern beider Institutionen äusserte sich offen gegen die im September getroffenen Entscheidungen. Dies zog sogar den Rücktritt eines EZB-Ratsmitglieds und zwei offizielle Abstimmungen gegen die Zinssenkung unter den zehn stimmberechtigten Fed-Mitgliedern nach sich. Die Unbestimmtheit der Wirtschaftsperspektive hat den vorherrschenden Konsens über die Notwendigkeit ins Wanken gebracht, das schwache Wachstum und die niedrige Inflation mit geldpolitischen Massnahmen zu bekämpfen.

Und es gibt noch einen weiteren Konsens des letzten Jahrzehnts, der immer mehr infrage gestellt wird: die Fiskalpolitik. Die Rufe nach einer aktiveren Fiskalpolitik werden immer lauter, insbesondere im Kontext der über eine (sehr) lange Zeit hinweg (sehr) niedrigen Zinssätze. Angefangen beim fiskalpolitisch orthodoxen Deutschland über das Brexit-geplagte Grossbritannien und die USA im beginnenden Wahlkampf bis hin zu Japan rückt die Debatte über die Staatsausgaben als mögliche Lösung gegen das langsamere Wirtschaftswachstum, die zunehmende Ungleichheit und die Umweltprobleme immer stärker in den Mittelpunkt.

Der Ausblick ist per Definition unsicher und die essenzielle Grundlage für Anlagen. Es mag menschlich (und eine Folge der guten Performance in den vergangenen zwölf Monaten) sein, dass die Anleger derzeit sensibler auf sehr greifbare negative Nachrichten und Abschwungrisiken reagieren: auf den fortgesetzten Einbruch der Industrietätigkeit, die Kampfansagen innerhalb der Zentralbanken, geopolitische Risiken etc. Jedoch dürfen die resiliente Endnachfrage in den Industrieländern, die niedrigen Zinssätze, die mögliche Unterstützung durch Fiskalpolitik und die Tatsache, dass die Finanzmarktpreise bereits auf eine erhebliche Konjunkturschwäche hindeuten, nicht ausser Acht gelassen werden. Bisher erlaubt die Situation noch die Beibehaltung ausgewogener Portfoliopositionen. Wir bewegen uns auf einem schmalen Grat, aber dies ist vielleicht die einzige Möglichkeit, sich nicht auf dem falschen Fuss erwischen zu lassen, wenn die Aussichten schliesslich an Sicherheit gewinnen.

_Adrien Pichoud

DER WIRTSCHAFTLICHE HINTERGRUND AUF EINEN BLICK UND BETRACHTUNG DER WELTWIRTSCHAFT

Weiter wie gehabt! In den letzten Monaten haben sich die wirtschaftlichen Trends kaum verändert – mit allen damit verbundenen Vor- und Nachteilen. Die Weltwirtschaft schwächt sich weiter ab. Dämpfend wirkt dabei der Industriesektor, der sich auf eine Rezession zubewegt oder sich vielleicht bereits in einer solchen befindet. Der Privatkonsum wird von der geringen Arbeitslosigkeit, dem festen Immobilienmarkt und den erschwinglichen Verbraucherkrediten gestärkt und bleibt positiv. Bisher kann der Privatkonsum die negative Auswirkung des Industriesektors noch ausgleichen und das Wirtschaftswachstum im positiven Bereich halten. Solange es jedoch kein Anzeichen für eine Stabilisierung oder gar einen Aufwärtstrend bei der Industrietätigkeit gibt, zieht das Risikogleichgewicht deutlich nach unten. Die Negativseite des Gleichgewichts wird ausserdem durch geopolitische und politische Risiken wie den Handelsstreit zwischen China und den USA, den Brexit, die instabile Lage in Nahost sowie die US-Innenpolitik belastet.

Die Geldpolitik ist weltweit expansiv und wird, wo dies möglich ist, immer expansiver. Dies gilt auch für die immer zahlreicheren Schwellenländer. Die Abkehr der Fed von dem Zinserhöhungszyklus des letzten Jahres und die Zinssenkungen in diesem Jahr könnten sich langfristig auswirken: Der US-Dollar ist nach einem fünfjährigen Aufwertungszyklus durch die zunehmenden Differenzen zwischen den US-Zinsen und den Zinsen der restlichen Industrieländer auf Höchstkurs. Auch ohne die – bei positivem Wirtschaftswachstum unnötige – Entscheidung, den Zinssenkungszyklus in den USA auszuweiten, erscheint eine weitere Umkehr der Fed in Form einer Wiederaufnahme der Zinserhöhungen im kommenden Jahr in der Tat höchst unwahrscheinlich. Daher dürften Zinsdifferenzen keine weitere Aufwertung des US-Dollars unterstützen. Dies sind gute Nachrichten für die immer noch stark US-Dollar-sensiblen Schwellenländer, auch wenn diese nach wie vor mit dem langsamen globalen Wachstum zu kämpfen haben.

Wachstum
Trotz des anhaltenden Abschwächungstrends bleibt das Wachstum in allen grossen Volkswirtschaften positiv. Hier und da scheint es einige zaghafte Stabilisierungsanzeichen zu geben, die jedoch noch bestätigt werden müssen.

Inflation
Der Abwärtstrend in den Inflationsdaten seit dem Jahresbeginn hat einen Tiefpunkt erreicht, und die technischen Effekte lassen nach. Der potenzielle X-Faktor für die Inflationsaussichten bei Abwesenheit von zunehmendem Binnennachfragedruck sind die Ölpreise.

Weiterhin globale Verlangsamung, jedoch weniger stark ausgeprägt.
Globale Industrietätigkeit
Quelle
SYZ AM, Factset. Stand der Daten: 31.08.2019

Geldpolitik
Die geldpolitische Lockerung der EZB mag in ihrer Art als Alles-auf-eine-Karte-Setzen / letzte Rettung empfunden worden sein und einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen haben. Dennoch verankert sie die Geldpolitik der Eurozone (sehr) langfristig auf einem äusserst akkomodierenden Niveau. Die Fed auf der einen und die Zentralbanken der Schwellenländer auf der anderen Seite verfügen über mehr Spielraum für zusätzliche Lockerungen, sofern notwendig.

Industriestaaten 
Die US-Wirtschaft kann sich immer noch auf einen robusten Privatkonsum verlassen. Dieser wächst mit etwa 2 % weiter, obwohl die Verlangsamung anhält und der ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe im August unter das entscheidende Niveau von 50 fiel. Das verfügbare reale Einkommen der Haushalte steigt, und der Immobilienmarkt bleibt fest. Die Unsicherheit in Zusammenhang mit dem Handelsstreit zwischen den USA und China sowie die möglichen Auswirkungen von US-Zöllen auf die Importpreise sind zwar immer noch ein echtes Risiko, haben die Expansion bisher jedoch nicht gebremst.

Deutschland bleibt in diesem Jahr die Schwachstelle des europäischen Wachstums. Durch seine Wirtschaftsstruktur ist das Land den negativen Auswirkungen der globalen Verlangsamung im Handel und den eher europaspezifischen Brexit-Unsicherheiten voll ausgesetzt. Der eher binnenorientierte Dienstleistungssektor in Deutschland und in der Eurozone wächst aber weiter und hält das Wirtschaftswachstum in Gang, wenn auch in recht schwachem Tempo. Einige Indikatoren deuten darauf hin, dass die Verlangsamung grösstenteils hinter uns liegt, aber dies hängt immer noch stark von den globalen und politischen Entwicklungen ab. Dasselbe gilt für die Nachbarländer in Europa wie die Schweiz und die nordischen Länder. Ein vergleichbares Muster ist aus ähnlichen Gründen auch in Japan zu beobachten.

Schwellenländer 
Ähnlich wie in der Eurozone und in Japan hängt das Wirtschaftswachstum auch in China vom Industriesektor und den Entwicklungen in der Pattsituation der USA in Bezug auf die Zölle und Handelsbeziehungen ab. Speziell in Hongkong ist die Wirtschaftstätigkeit von den dortigen Protesten betroffen. 

In den meisten grossen Schwellenländern hat sich das Wachstum leicht gesteigert, was möglicherweise durch die jeweiligen geldpolitischen Lockerungen und die einfacheren Bedingungen für Finanzierungen in US-Dollar unterstützt wird. Das Wachstum reagiert jedoch noch sehr sensibel auf die Entwicklungen im Welthandel.

_Adrien Pichoud

Leitzinssätze ausgewählter Zentralbanken
Die Fed und die BoE haben noch etwas Spielraum für Zinssenkungen. Auf die EZB und die SNB trifft dies andererseits eher weniger zu...
Leitzinssätze ausgewählter Zentralbanken
Quelle
SYZ AM, Factset. Stand der Daten: 31.08.2019

VERMÖGENSBEWERTUNG UND EINSCHÄTZUNG DER ANLAGESTRATEGIE-GRUPPE

Risiko und Duration 
Wir beliessen die Risikobereitschaft bei „leichte Abneigung“, obwohl wir unter Berücksichtigung einer leichten Verbesserung der makroökonomischen Daten bei fortgesetzter geldpolitischer Lockerung die Versuchung diskutiert haben, die Risikobereitschaft leicht zu erhöhen. Wir kamen bei dieser Diskussion zu dem Ergebnis, auf stärkere Stabilisierungsanzeichen im globalen Wachstumstrend warten zu wollen, bevor wir das Gesamtrisiko der Portfolios effektiv erhöhen.

Aufgrund der fehlenden Inflation und der weiterhin expansiv eingestellten Zentralbanken bleibt auch die Durationswertung auf „leichte Abneigung“. Bei geringer Inflation und expansiver Geldpolitik kann die Duration die Portfolios auch bei den derzeitigen hohen Anleihebewertungsniveaus immer noch gut gegen das leicht geringere, jedoch nicht vernachlässigbare Risiko eines negativen makroökonomischen Ergebnisses absichern.

Die Risikobereitschaft wird auf „leichte Abneigung“ gehalten, mit einem etwas zyklischeren und stärker auf die Werte konzentrierten Ansatz verringern wir aber die Betonung auf den defensiven Charakter des Aktienteils.
Maurice Harari

Aktienmärkte
In der Eurozone, in Skandinavien und China haben wir die Wertung der Aktienmärkte auf „leichte Präferenz“ angehoben. Andererseits wurden die südafrikanischen Aktien wegen der idiosynkratischen Risiken auf „leichte Abneigung“ herabgestuft.

Wir möchten damit unsere Aktienallokation innerhalb der Portfolios ausgleichen und so das Übergewicht von defensiven Märkten und Sektoren reduzieren. Darüber hinaus möchten wir zyklischer agieren und den Schwerpunkt stärker auf die Werte legen.

Aufgrund der leicht ermutigenden Signale bei der Konjunkturdynamik in Europa und China hatten wir diese implizit defensive Zusammensetzung der Aktienallokation reduziert.

Aufgrund der extremen relativen Bewertungsniveaus bei defensiven und zyklischen Märkten und Sektoren möchten wir unseren defensiven Schwerpunkt reduzieren, um im Falle einer vorübergehenden Umkehr oder einer Korrektur der relativen Performance durch eine Abschwächung der globalen Wachstumsängste nicht auf dem falschen Fuss erwischt zu werden.

Anleihenmärkte
Ähnlich wie bei der Aktienallokation haben wir auch die Anleihenallokation neutraler ausgerichtet, indem wir unsere Übergewichtungsposition in Bezug auf Staatsanleihen vs. Darlehen reduziert haben.

Unsere nominalen Staatsanleihen haben wir um eine Stufe auf „leichte Abneigung“ herabgestuft (hauptsächlich aufgrund der Bewertungen), und unsere Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen wurden jeweils auf „leichte Präferenz“ bzw. „leichte Abneigung“ gesetzt.

Bei den nominalen Staatsanleihen bleibt Italien aufgrund der geldpolitischen Lockerung der EZB und des immer noch attraktiven relativen Werts der bevorzugte Markt für Staatsanleihen in der Eurozone. Daneben bleiben die US-amerikanischen und kanadischen Staatsanleihen interessant, denn unserer Meinung nach bieten sie den besten Schutz der Portfolios vor einem Rezessionsszenario, das zu einer Abfolge von Zinssenkungen durch die Fed führen könnte.

Währungen, alternative Anlagen und liquide Mittel
Der US-Dollar hat trotz seiner höheren Bewertung nach wie vor Vorzug vor dem Euro, denn er bietet bessere Wachtumsaussichten und insbesondere eine weiterhin positive Renditedifferenz.

Schliesslich werden Gold und der japanische Yen mit „leichte Präferenz“ gewertet, weil sie die Portfoliodiversifizierung in einem risikoaversen Umfeld ermöglichen. 

_Maurice Harari