Focus

Konträr Investitionen in der italienischen Bankenkrise “The view of the Europa Equities Team”

Mittwoch, 09/13/2017

Eines unserer Hauptthemen im Jahr 2016 bestand darin, die Schwäche italienischer Finanztitel infolge der Krise um notleidende Kredite zu nutzen, um Anlagechancen zu identifizieren. Seither wurde eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, um die Krise zu meistern. Das italienische Bankensystem steht nunmehr auf einem deutlich solideren Fundament. Ein Jahr nach dem Tiefpunkt der Krise möchten wir die Gelegenheit nutzen, um unsere damaligen Überlegungen und unser Vorgehen zu erläutern und die Performance unserer Anlagen zu prüfen.

Entdecken Sie hier wieso unser aktiver und konträrer Ansatz einzigartig ist

Mittwoch 13/09/2017 - 09:14
Prasaanna Jeyanandhan European Equities Expert
Michael Clements Experte für europäische Aktien
Wir vermieden es, direkt in die Banken zu investieren, fanden jedoch zwei sehr interessante Gelegenheiten, um auf die Erholung zu setzen, ohne dieselben Risiken auf uns zu nehmen.

Hintergrund der Bankenkrise in Italien

Der Ausbruch der Finanzkrise sowie die darauffolgende erneute Rezession lösten einen Zerfall der Kreditqualität aus, da eine hohe Fremdfinanzierung und eine schwache Rentabilität unter großen sowie kleinen italienischen Unternehmen zu faulen Bankkrediten führten. Die Banken waren aufgrund dessen gezwungen, Verluste zu verbuchen, Dividenden zu kürzen und Kapital zu beschaffen. Ähnlich erging es aber auch Bankensystemen in anderen europäischen Ländern, vor allem in Südeuropa. Warum also fiel die Bankenkrise in Italien besonders schwer aus? Die Lage in Italien wurde durch die spezielle Struktur seines Systems zusätzlich verschlimmert. Über die Hälfte des Sektors besteht aus Genossenschaftsbanken und Sparkassen, die sehr stark an die Gemeinden gebunden sind, in denen sie agieren.

Die starke Verbindung zu Kunden, in Kombination mit mangelhaften Standards bei der Kreditvergabe, führte zu einem starken Anstieg von Krediten im Vorfeld der Finanzkrise. Die daraus entstandenen Verluste in diesen Portfolios wurden zusätzlich verstärkt durch übermäßige Bürokratie und ein schwaches und ineffizientes Justizsystem, welches es schwierig machte, Schulden einzutreiben oder die mit diesen Portfolios verbundenen Sicherheiten einzuziehen. Infolgedessen verschlechterte sich die Qualität der Kreditportfolios in Italien in besonderem Maße. So verdreifachte sich der Bestand notleidender Kredite im Land 2015 auf insgesamt ca. EUR 340 Mrd.

Die NPL-Krise erreichte im letzten Jahr ihren Höhepunkt, als die Befürchtungen zunahmen, dass die steigenden Verluste zu einer Serie von Bankausfällen führen könnten, darunter auch Monte dei Paschi di Siena (MPS) und eventuell sogar der Bankenriese UniCredit. Angesichts des sinkenden Vertrauens in den Sektor stieg der Liquiditätsdruck stark an: Die Einleger der schwächsten Banken ergriffen die Flucht, da sie befürchteten, im Fall einer Bankenpleite ihr Geld zu verlieren. Während einige Banken sich in Richtung Bankrott bewegten, stürzten die Aktienpreise auf Tiefststände.

Italienischer Markt für notleidende Kredite
Italienischer Markt für notleidende Kredite
Quelle
Quelle: PWC, „The Italian unlikely to pay market“ Daten vom 31.05.2017

Die richtige konträre Gelegenheit finden

Wir spürten, dass es in dieser Krise eine konträre Anlagegelegenheit gab, konnten jedoch dem Abwärtsrisiko der Banken keine Untergrenze verleihen. Das Erholungspotenzial der notleidenden Banken war zwar gewaltig, doch sie erfüllten unsere Anlagekriterien nicht und waren nach unserem Dafürhalten potenzielle Anlegerfallen: Value Traps. Angesichts der stark fremdfinanzierten und undurchsichtigen Bilanzen, der angespannten Liquidität und der möglichen Wirkung politischer Risiken erschienen Anlagen in notleidende Banken damals hochspekulativ mit der Möglichkeit, dass das Anlegerkapital bei einem Abwärtsszenario plötzlich vernichtet werden könnte. Die Anleger konzentrierten sich damals hauptsächlich auf MPS und Unicredit. Beide Banken hatten enorme Portfolios mit notleidenden Krediten und mussten Kapital beschaffen. Beide Teams standen unter enormem Druck, Anleger davon zu überzeugen, dass sie das Schicksal ihrer Bank in die richtigen Bahnen lenken konnten. Am Ende wurde die MPS-Aktie ausgesetzt, während sich die Aktien von UniCredit erholten. Während MPS zu der Zeit potenziell mehr Spielraum nach oben hatte (angesichts seiner sehr angeschlagenen Bewertung), verfügte UniCredit letztendlich über den glaubwürdigeren Geschäftsplan und hatte mehr Hebel in der Hand und Vermögenswerte zu veräußern.

Wir vermieden es, direkt in die Banken zu investieren, fanden jedoch zwei sehr interessante Gelegenheiten, um auf die Erholung zu setzen, ohne dieselben Risiken auf uns zu nehmen: Unsere Analyse von Unicredit und MPS führte uns schließlich zu zwei unserer bedeutendsten Anlagen in diesem Thema: Eurocastle und Anima.

Eurocastle: Erschließung der NPL-Investitionsmöglichkeit von EUR 300 Mrd.

Unserer Ansicht nach war die italienische NPL-Krise das ideale Jagdrevier für Forderungskäufer und Forderungsverwalter. Der Markt war voll von Verkäufern notleidender NPL-Titel, und der Berg von über EUR 300 Mrd. an NPLs musste auf die eine oder andere Weise abgewickelt und abgebaut werden. Eurocastle ist nach unserem Dafürhalten einzigartig positioniert, um diese enorme Chance zu nutzen.

Nettoinventarwert von Eurocastle
Nettoinventarwert von Eurocastle
Quelle
Quelle: Eurocastle. Daten vom 31.08.2017
Aktienkurs von Eurocastle ggü. Abschlag zum Nettoinventarwert
Aktienkurs von Eurocastle ggü. Abschlag zum Nettoinventarwert
Quelle
Quelle: Eurocastle, Bloomberg. Daten vom 31.08.2017

Als wir unsere Position im dritten Quartal 2016 eröffneten, bestanden rund 40% des Nettoinventarwerts von Eurocastle aus seiner Beteiligung an der doBank (dem größten italienischen Servicer für notleidende Kredite). 40% waren in italienische notleidende Kredite und Immobilienanlagen investiert; der Rest bestand aus Barmitteln. Aufgrund der getrübten Stimmung zu diesem Zeitpunkt konnten wir die Aktie mit einem Abschlag von 15–20% auf den Nettoinventarwert kaufen.

Wir sahen zwei klare Chancen in Eurocastle. Erstens war die Beteiligung an der doBank unserer Ansicht nach deutlich unterbewertet. Die doBank ist der führende Servicer für notleidende Kredite am Markt. Sie verwaltet notleidende Kredite in Höhe von rund EUR 80 Mrd. im Auftrag einiger bedeutender Kunden wie Unicredit, Intesa und Fortress. Der Bestand von notleidenden Krediten von insgesamt über EUR 300 Mrd. am Markt muss erst noch abgebaut werden. Unserer Einschätzung nach werden die unabhängigen Servicer dabei eine entscheidende Rolle spielen. Im Juni 2016 bewertete Eurocastle seine 50%ige Beteiligung an der doBank mit EUR 169 Mio. Im Juli 2017 ging die doBank an die Börse, wobei die Beteiligung von Eurocastle mit EUR 350 Mio. bewertet wurde. Seit dem Börsengang legte die Aktie der doBank um weitere 20% zu. Wir sehen weiterhin langfristiges Potenzial für doBank und haben uns daher direkt an dem Börsengang beteiligt.

Die zweite Gelegenheit für Eurocastle ist eine direkte Investition in italienische NPLs und notleidende Immobilientitel. Der Verwalter von Eurocastle, Fortress, investiert schon seit mehreren Jahren erfolgreich in den italienischen NPL-Markt. Auf diese Weise konnte das Unternehmen eine starke Plattform für die Preissetzung, Akquisition und Verwaltung notleidender Kredite aufbauen. Eurocastle pflegt über Fortress eine starke Beziehung zu Unicredit und war in erheblichem Maße an der Erarbeitung des strategischen Plans der Bank beteiligt. Im Mittelpunkt des Plans stand Projekt Fino („Failure is not an option“, ein Ausfall ist keine Option). Danach soll Unicredit notleidende Kredite im Wert von EUR 17 Mrd. zu einem Durchschnittspreis von 14 Cent an von Eurocastle/Fortress und Pimco verwaltete Verbriefungsvehikel verkaufen. Den Käufern gelang es, einen im Vergleich zu anderen am Markt verkauften Portfolios einen sehr günstigen Preis auszuhandeln. Unicredit begründete dieses Vorgehen damit, dass der durch die Bilanzsicherheit und die dadurch ermöglichten geringeren Kapitalkosten geschaffene Wert die Cashflows mehr als aufwiegen würde, die durch den Verkauf des Portfolios zu einem niedrigen Preis verloren gingen.

Dies hat sich schließlich als richtig herausgestellt, da die Aktie von Unicredit sich seit Bekanntgabe des Plans deutlich erholt hat. Unserer Ansicht nach hat Eurocastle mit der Beteiligung an FINO ein sehr gutes Geschäft gemacht und wird über Jahre hinweg davon profitieren. Durch unsere Investition in Eurocastle erreichten wir eine Präsenz in der Erholung des italienischen Bankensystems, jedoch ohne das Risiko einer direkten Investition in eine Bank. Da wir die Aktien mit einem Abschlag auf den Nettoinventarwert kaufen konnten, sicherten wir uns eine zusätzliche Sicherheitsmarge (bzw. je nach Standpunkt eine höhere Rendite).

Anima: Spekulation auf MPS ohne das Risiko

Anima ist der führende unabhängige Vermögensverwalter in Italien. Der Vertrieb erfolgt vorwiegend über ein Netzwerk von Partnerbanken, einschließlich MPS und Banco Popolare di Milano (BPM), sowie die jüngst eingegangene Verbindung mit Poste Italiane. Mit der fortschreitenden Krise ergab sich Ende letzten Jahres eine Kaufgelegenheit. Die Aktie von Anima erlebte einen Ausverkauf aufgrund von Befürchtungen, dass die verwalteten Vermögen, die durch die Netzwerke mit MPS und BPM bezogen wurden, gefährdet seien. Nach einer sorgfältigen Analyse kamen wir zu der Schlussfolgerung, dass das Worst-Case Scenario, nämlich dass Anima den größten Teil des verwalteten Vermögens aus diesen beiden Netzwerken (ca. 35% des verwalteten Gesamtvermögens) verlieren würde, im Aktienkurs eingepreist war. Wir konnten dieses Szenario jedoch nicht nachvollziehen, selbst für den Fall, dass MPS scheitern und eine Restrukturierung benötigen würde. Da wir eine Untergrenze festlegen konnten, hatten wir weniger Bedenken, in Anima zu investieren, vor allem, da wir in der Stabilisierung der Lage von MPS und BPM einen Hebeleffekt nach oben sahen. Tatsächlich verbuchte Anima Ende 2016 und Anfang 2017 einige Abflüsse aus dem Netzwerk von MPS. Diese ließen jedoch nach und wandelten sich in Zuflüsse, als die Situation bei MPS allmählich gelöst wurde. Hinzu kam einige Unsicherheit im Anschluss an die Fusion von BPM und Banco Popolare (BP). Mit BP war deren eigener kleiner Vermögensverwalter Aletti Gestielle verbunden. Der Markt befürchtete, dass BPM ihre Beziehung zu Anima zugunsten des neuen hausinternen Vermögensverwalters Aletti zurückfahren würde. Allerdings erschien dies zu diesem Zeitpunkt unwahrscheinlich, da eine solche Entscheidung allen beteiligten Parteien geschadet hätte. Diese Einschätzung sollte sich später als richtig herausstellen. Im vergangenen Monat gab Anima die Übernahme von Aletti bekannt, konsolidiert damit seine Beziehung zu dem fusionierten BPM-BP-Unternehmen (BAMI) und erweitert seinen Vertrieb auf die bislang noch nicht abgedeckten BP-Filialen. Innerhalb von neun Monaten hat sich die Marktstimmung zu Anima gewendet. Anstatt weiterhin das „Worst-Case-Scenario“ des Verlusts seiner größten Vertriebspartner zu befürchten, versucht man nun, das Aufwärtspotenzial einzupreisen, das besteht, falls Anima vollständig in die riesigen Vertriebsnetzwerke von Poste Italiane, BAMI und einer restrukturierten MPS eindringt. Nach der Übernahme von Aletti hat Anima nun ein einzigartiges Vertriebsnetzwerk in Italien mit Zugang zu über 4500 Niederlassungen in einigen der reichsten Teile des Landes.

Anima war eine komplizierte Anlage, da die verschiedenen Umstände seiner Bankenpartner analysiert werden mussten. Das Unternehmen erfüllte jedoch unsere Qualitätskriterien, und wir konnten zu einem Zeitpunkt einsteigen, an dem die Aktie aufgrund der Bedenken in Bezug auf die Vertriebspartner überverkauft war. Das Verlustpotenzial hielten wir jedoch für begrenzt. Von seinen Bankvertriebspartnern konnte dies allerdings nicht behauptet werden, wie sich schließlich im Fall MPS herausstellte.

Karten zur Abdeckung von Anima/Aletti
Karten zur Abdeckung von Anima/Aletti
Quelle
Quelle: ANIMA, Präsentation „ANIMA and Banco BPM – Acquisition of Aletti Gestielle SGR“ Daten vom 31.08.2017 Daten vom 31.08.2017

Unser antizyklischer Anlagestil in der Praxis

Unsere Vorgehensweise bei der Analyse der Situation in Italien und die von uns getätigten Anlagen sind typisch für unseren Prozess. Die Chance, die sich aus der Krise um die notleidenden Kredite ergab, weckte unsere antizyklischen Instinkte. Unsere Ausrichtung auf Qualität bewahrte uns jedoch vor Value Traps wie MPS. Wir verwandten einige Zeit darauf, die der Krise zugrunde liegenden Faktoren zu verstehen. Unsere Analyse führte uns schließlich zu den Gewinnern in diesem Markt, insbesondere zu Servicern und Vermögensverwaltern. Die Analyse der Zielunternehmen, ihrer Wettbewerbsvorteile und Bewertungen gab eine Untergrenze für Verluste vor, die wir für die Eröffnung von Positionen für akzeptabel hielten. In diesem Fall fanden wir mit unserem Prozess Anlagechancen am unteren Ende des Marktkapitalisierungsspektrums. Dies ist keineswegs ungewöhnlich: Häufig sind es gerade diese Unternehmen, die andere Anleger nicht auf ihrem Radarschirm haben, die am meisten Alpha generieren können. In Anbetracht unserer langfristig ausgerichteten Anlagephilosophie waren wir bereit, aufgrund des Aufwärtspotenzials in den kommenden Jahren in diese Arten von Unternehmen zu investieren. Wir blicken weiterhin zuversichtlich auf die Aussichten für Eurocastle und Anima.