Focus

Gesundheitssektor bietet ein attraktives konträres Wertpotenzial an einem teuren Markt

Dienstag, 07/10/2018

Warren Buffett warnte einst: «An der Börse zahlt man für einen unbesorgten Konsens einen sehr hohen Preis.» Diese Marktweisheit unterstreicht das Dilemma von Anlegern, die an einem Markt, an dem die Bewertungen ständig über den historischen Höchstwerten liegen, nach attraktiven Chancen suchen.

Wenn die Bewertungen strapaziert sind, zeigen sich die wirklichen Fähigkeiten eines Stock-Pickers. Dieses Umfeld erfordert eine auf Überzeugungen beruhende Strategie und die Fähigkeit, Chancen zu entdecken, das heißt, zu erkennen, wo die Abneigung gegen bestimmte Aktien, Sektoren und Länder attraktive Einstiegspunkte schafft.

Die Aktien in unserem Portfolio sind per Definition häufig genau das Gegenteil der Allokation unserer Konkurrenten. Wir lassen uns von unseren Überzeugungen leiten. Selbst wenn die Märkte teuer sind, können wir Ineffizienzen nutzen und langfristige Renditen erzielen.

Dienstag 10/07/2018 - 13:00
Claire Shaw European Mid & Small Cap Equities Expert

Opfer der wahllosen Verkaufswelle

Der angeschlagene Gesundheitsbereich war in Europa einer der performanceschwächsten Sektoren im Jahr 2017: Der MSCI Europe Health Care Index blieb um 7,4% hinter den breiteren europäischen Aktienmärkten zurück. Dieser derzeit unbeliebte Sektor ist ein gutes Beispiel dafür, wo konträre Anleger qualitativ hochwertige Titel finden können, die Oper einer wahllosen Verkaufswelle geworden sind.

Viele Anleger machen nach wie vor einen Bogen um europäische Pharma- und Gesundheitswerte, da sie Bedenken über fundamentale Probleme des Sektors haben und eine «Ära der Unsicherheit» befürchten. Für diese zunehmende Nervosität in Bezug auf die Branche gibt es drei Gründe: der Brexit, Trump und die Fokussierung von Technologieriesen auf das Gesundheitswesen.

Gegenwinde für die Branche

Da Theresa May entschlossen ist, den gemeinsamen Markt zu verlassen, steht die Mitgliedschaft Grossbritanniens in der Europäischen Arzneimittel-Agentur in Zweifel. Vor Kurzem kündigte die Agentur an, dass sie ihren Hauptsitz von London nach Amsterdam verlegen werde. Die wichtigere Frage betrifft jedoch nach wie vor die potenziell katastrophalen Auswirkungen, die Grenzen und Zölle in dieser Branche auf die britischen Pharmaunternehmen haben würden, die derzeit Produkte im Wert von GBP 11 Mrd. in alle Länder der EU exportieren. Eine Störung dieses freien Handelsflusses könnte katastrophal sein.

Auf der anderen Seite des grossen Teichs giesst Donald Trump Öl ins Feuer und belastet die Stimmung zusätzlich mit der Behauptung, dass Pharmaunternehmen «mit Mord davon kommen», und Versprechungen, die Preise zu drücken. Aufgrund der Verflechtung der europäischen Gesundheitsunternehmen mit den USA machen sich die Kommentare Trumps auch diesseits des Atlantik bemerkbar und belasten diese Aktien.

Früher in diesem Jahr liess die Meldung über den Einstieg grosser Technologieunternehmen in diesem Bereich die Bewertungen des Gesundheitssektors um mehrere Milliarden fallen. Monatelange Spekulationen, dass Amazon seine disruptiven Instinkte dem Gesundheitssektor zuwenden könnte, belasteten die Aktienkurse in allen Teilsektoren der Branche, von Arzneimittelherstellern bis zu Versicherungsgesellschaften und Pharmacy Benefits Managern.

Trotz dieser Gegenwinde bietet der Gesundheitssektor jedoch nach wie vor Wachstumspotenzial. Dafür gibt es einen einfachen Grund: die demografische Entwicklung. In der EU wird sich der Anteil der Altersgruppe ab 80 zwischen 2016 und 2080 mehr als verdoppeln: von 5,4% auf 12,7%.
(Eurostat http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?dataset=demo_pjangroup&lang=en)

Zudem schafft die negative Stimmung gegenüber der Branche attraktive Chancen für konträre Anleger wie uns, Qualitätsunternehmen zu attraktiven Bewertungen zu kaufen. Von der Protonentherapie bis zum Stoma zeige ich vier Sektoren auf, die sich der Herausforderung stellen, der alternden Bevölkerung der Welt eine nachhaltig bessere Lebensqualität zu verschaffen.

Innovationen in der Onkologie

Die Protonentherapie ist eine Form der Strahlentherapie zur Krebsbehandlung, die gegenüber der herkömmlichen Strahlentherapie als überlegen angesehen wird. Sie bietet eine bessere Behandlungswirksamkeit und minimiert die Exponierung von gesundem Gewebe, da es praktisch keinen Austrittsstrahl gibt. Krebs ist die häufigste Todesursache in den Industrieländern und die Krebsraten bei über 55-Jährigen steigen dramatisch. Deshalb wird der Onkologiemarkt zwangsläufig weiter wachsen, da die Unternehmen immer wieder neue Möglichkeiten zur Behandlung der Krankheit finden.

Der Marktführer in der Protonentherapie ist Ion Beam Applications (IBA), mit einem globalen Anteil von rund 50 %. Dieser strukturell attraktive, oligopolistische Markt wird voraussichtlich bis 2035 ein durchschnittliches jährliches Wachstum (CAGR) von 15 % aufweisen. In den letzten zwölf Monaten liess der Aktienkurs der in Belgien notierten IBA um über die Hälfte nach. Trotz der beschriebenen kurzfristigen zyklischen Gegenwinde profitiert das Unternehmen von bedeutenden Eintrittsbarrieren, einem hohen Auftragsbestand und einer grundsoliden Bilanz, die das künftige Wachstum tragen kann.

Anzahl der Menschen, bei denen jemals eine COPD diagnostiziert wurde, je 100’000, nach Altersgruppen, 2004
Anzahl der Menschen, die jemals diagnostiziert wurden
Quelle
British Lung Foundation, SYZ Asset Management Stand der Daten: Juni 2018

Chancen im Bereich Stoma

Die Stoma-Pflege bezieht sich auf einen durch eine Operation geschaffenen künstlichen Darmausgang im Körper. Da die Häufigkeit von Darmerkrankungen mit zunehmendem Alter steigt, wird das Wachstum dieses Marktes von der alternden Bevölkerung angetrieben. Aufgrund der sensitiven Natur dieser Produkte ist die Kundenbasis in der Regel sehr produkttreu, und die Wechselquoten sind sehr gering.

Deshalb bildet der Markt ein strukturell attraktives Oligopol. Einer der weltweit größten Anbieter ist ConvaTec. Der Aktienkurs von ConvaTec ist zwar seit Juni 2017 schwach. Dies ist jedoch ein Unternehmen mit bedeutenden Wettbewerbsvorteilen, die durch attraktive Finanzkennziffern unterstützt werden – hohe Renditen und Gewinnmargen und ein signifikanter freier Cashflow.

Unabhängige Krankenhäuser

Die Budgets des staatlichen britischen Gesundheitsdienstes NHS stehen unter erheblichem Druck, da sich das demografische Profil Grossbritanniens verändert. Infolgedessen spielt der unabhängige Krankenhaussektor in Grossbritannien eine bedeutende Rolle, denn er bietet eine private Behandlung an und entlastet den NHS. Den Prognosen zufolge wird die Altersgruppe der über 65-Jährigen in Grossbritannien von rund 18% bis 2050 auf 28% anwachsen.

Darüber hinaus wächst das Selbstzahlersegment des Marktes rasant, da sich viele über 50-Jährige dafür entscheiden, selbst für die Behandlung zu zahlen, um lange Wartezeiten zu vermeiden. Spire Healthcare plc ist der führende Anbieter in diesem Bereich und dürfte gut positioniert sein, um von diesem Trend zu profitieren. Das Unternehmen ist einer der größten privaten Klinikanbieter mit 39 Krankenhäusern und 12 Kliniken im ganzen Land. 2017 war zwar ein turbulentes Jahr für Spire, da die NHS-Aktivität zurückging, nachdem das Ziel, die Wartelisten auf 18 Wochen zu begrenzen, aufgehoben wurde. Dies bietet jedoch einen attraktiven Einstiegspunkt in ein qualitativ hochwertiges Geschäft mit soliden langfristigen Aussichten.

Linderung von Atemwegserkrankungen

Die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), auch als «Raucherhusten» bekannt, ist die vierthäufigste Todesursache weltweit und tritt vor allem bei älteren Menschen immer häufiger auf. Die Entwicklung von inhalierbaren Medikamenten erfordert das Zusammenwirken von drei Faktoren: Medikament, Rezeptur und Gerät. Infolgedessen ist dies ein komplexes Gebiet, auf dem die Vectura Group mit einer sehr guten Erfolgsbilanz weltweit führend ist.

Die Hälfte der zwischen 2012 und 2016 neu auf den Markt gebrachten Inhalatoren verwendet die Technologie von Vectura. Das zeigt, dass das Unternehmen bei der Medikation über die Atemwege der Partner der Wahl ist. Die Aktie war zwar schwach, doch das Unternehmen hat ein sehr tragfähiges Geschäftsmodell und weist eine hohe Prognosesicherheit der Erträge auf.