Asset Allocation Insights

Die Bedeutung defensiver Positionen vor dem Hintergrund der Abwägung neuer Risiken durch die Anleger

Donnerstag, 07/30/2020

Der Schatten der Pandemie liegt zwar weiterhin über uns. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass die Märkte von Natur aus zukunftsgerichtet sind. Die rasant steigende Zahl der Coronavirus-Fälle in den USA sowie lokale Ausbrüche in einzelnen europäischen Ländern geben Anlass zur Besorgnis, allgemein bietet sich aber das Bild einer vorsichtigen Erholung.

Donnerstag 30/07/2020 - 08:39
Adrien Pichoud Chief Economist & Senior Portfolio Manager
Fabrice Gorin Senior Portfolio Manager

Kein Zweifel, die Weltwirtschaft hat eine in beispielloser Weise brachiale und steile Rezession durchgemacht. Das wissen wir aber schon, und die Erholung ist bereits im Gange. In unserem zentralen Basisszenario wird die Wahrscheinlichkeit einer kurzen, aber steilen Rezession mit 60% angesetzt. Auch wenn die Industriestaaten am Ende des Jahres beim BIP allesamt rote Zahlen schreiben, wird die robuste Erholung China wahrscheinlich davor bewahren, dass die Endabrechnung negativ ausfällt.

Die Lage in der Welt wird zudem noch durch die hohen Arbeitslosenzahlen und deren ungewisse Auswirkungen auf  den Verbrauch getrübt. Gut möglich, dass es tatsächlich zu einer zweiten Welle kommt. Einen weiteren Lockdown in der Grössenordnung wie beim ersten Ausbruch wird es unserer Ansicht nach aber nicht geben. Am wichtigsten ist, dass wir beim BIP die Talsohle durchschritten haben und uns derzeit in der Erholungsphase befinden, allerdings ist das Ausgangsniveau niedrig. Entscheidend ist letztendlich – wie bei vielen Dingen im Leben – die Richtung, in die es geht.

Gut möglich, dass die zweite Hälfte des Jahres 2020 in Erinnerung bleibt, weil es immer wieder zu starken Anstiegen der Volatilität kommt. Aus diesem Grund haben wir verschiedene Absicherungen mit unkorrelierten Vermögenswerten vorgenommen – von Puts auf Aktien bis hin zu langfristigen US-Treasuries.

Wird die Nasdaq in der Berichtssaison aus der Bahn geworfen?

Das makroökonomische Umfeld spricht für Anlagen in Aktien. Die Schulden der privaten Haushalte sind noch  niedrig,  und vor allem setzen Zentralbanken weltweit bereitwillig Anreize. Anleger müssen dennoch genau hinsehen, und wir richten den Fokus weiter auf Aktien, die eine hohe Qualität und Liquidität aufweisen.

Die unaufhörlich negative Nachrichtenlage im Zusammenhang mit Covid-19 hat den Markt allgemein zwar noch volatiler werden lassen. Einige Bereiche sind aber erstaunlich widerstandsfähig. Vor dem Hintergrund der Auswirkungen der Pandemie auf Sektoren wie beispielsweise den Energiesektor, wo die Gegenbewegung schwach ausfiel, sind die Renditen zahlreicher an der Nasdaq notierter Qualitätswerte in den letzten Wochen in die Höhe geschnellt.

Diese Performance hat Spekulationen über einen weiteren von Tech-Werten getriebenen Crash angeheizt. Unserer Einschätzung nach nehmen die Bewertungen einiger Aktien mit Tech-Fokus zwar sehr viel Positives vorweg, allerdings ist die Situation hier ganz anders als beim Dotcom-Boom. Die Argumente für Anlagen in Unternehmen wie Amazon gründen auf einem Fundament aus hohen Cashflows, gesunden Bilanzen und monopolartigen Stellungen.

Das heisst, die Bewertungskennzahlen sind zwar ganz gewiss hoch. Stärke und Beherrschung als die hauptsächlichen Treiber sind aber weiterhin vorhanden. Und damit nicht genug: Die Krise hat diese Treiber sogar noch forciert. Für viele dieser Unternehmen wird die nächste Berichtssaison ein Härtetest sein. Vielleicht werden manche weniger robuste Unternehmen auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Wir sind aber zuversichtlich, dass die stärkeren, Cash generierenden Tech-Akteure auch in der Zeit nach Covid noch lange Erfolg haben können.

USA – Monatlicher Aktivitätsindex (Ism) und jährliche Änderung des realen BIP
USA – Monatlicher Aktivitätsindex (Ism) und jährliche Änderung des realen BIP
Quelle
SYZ, FACTSET. STAND DER DATEN: 23.07.2020.

Festverzinsliche Anlagen bieten nach wie vor Chancen

Durch die plötzlichen Auswirkungen der Krise haben sich einzigartige Chancen an den Anleihemärkten  ergeben.  Im  Zuge der Spread-Verengung im Investment-Grade-Bereich hat sich das Renditeprofil jedoch wieder etwas verschlechtert. In den Industriestaaten tritt dieses Phänomen besonders deutlich zutage. Vor diesem Hintergrund haben wir unser Engagement in Anleihen der Schwellenländer in harter Währung etwas verstärkt, der Fokus liegt aber nach wie vor auf Qualität im Investment- Grade-Bereich.

Darüber hinaus haben wir unsere Präferenz für die Duration kürzlich erhöht. Unterstützt wird dies durch die Aussicht, dass das Umfeld niedrigerer Zinsen noch länger bestehen bleibt, sowie durch das aufgrund von Interventionen der Zentralbanken verringerte Risiko eines Zinsanstiegs am langen Ende der Kurve.

Hochzinsanleihen gegenüber sind wir weiterhin vorsichtig eingestellt, nachdem wir unsere Positionen Ende Februar wegen der ungünstigen Risiko-Rendite-Dynamik veräussert haben. Sektoren wie beispielsweise der Energiesektor werden in der zweiten Jahreshälfte angesichts zunehmender Schulden und angespannter Bilanzen weiter unter Druck stehen.

Die Verbesserte konjunkturelle Lage rechtfertigt es, eine Anlage in bestimmte Schwellenländeranleihen in Betracht zu ziehen
Die Verbesserte konjunkturelle Lage rechtfertigt es, eine Anlage in bestimmte Schwellenländeranleihen in Betracht zu ziehen
Quelle
BLOOMBERG. DATA AS OF 22.07.2020.

Joe Biden und die Sorgen der Marktteilnehmer

Das Coronavirus wird auf kurze Sicht zwar nicht verschwinden. Die Märkte beziehen aber allmählich neue Risiken in ihre Abwägungen mit ein. Vor sechs Monaten hatten die Märkte noch einen Wahlsieg von Donald Trump eingepreist. Jetzt aber liegt Joe Biden deutlich vorn. Sein Programm sieht höhere Steuersätze und die Anhebung der Unternehmenssteuer auf 28% vor – er verspricht aber kein nach amerikanischer Lesart voll und ganz sozialistisches Mandat, wie es von Demokraten weiter links im Spektrum befürwortet wird.

Bei einem Sieg von Joe Biden würde ein stärker auf Konsens ausgerichteter Ansatz verfolgt werden. Biden ist politisch viel weiter in der Mitte zu verorten als Bernie Sanders oder Elizabeth Warren. Und obwohl es Auswirkungen auf den Gesundheitsbereich geben würde, wird der Effekt gering sein, da Biden möglicherweise nicht in der Lage sein wird, Reformen vollumfänglich umzusetzen. Dies kommt bereits in den Kursbewegungen zum  Ausdruck. Die Demokraten haben kartellrechtliche Fragen im Wahlkampf thematisiert – mit möglichen Auswirkungen auf einige der ganz grossen Unternehmen im Technologiebereich. Aktien eines zerschlagenen Alphabet-Konzerns hätten wir aber beispielsweise sehr gern im Bestand. Tatsächlich könnte es jedoch sein, dass eine solche Frage auf der Liste der Prioritäten eines Präsidenten aus den Reihen der Demokraten nicht ganz oben steht, gibt es doch sehr viel unmittelbarere Fragen, besonders angesichts der unbegrenzten Finanzierung durch die Fed und der geringeren Besorgnis der Öffentlichkeit um Defizite.

Letztendlich werden die Wahlen in den USA dem Markt gewiss mehr Volatilität bringen, sie werden aber nichts daran ändern, dass das Virus und die Anreize wesentliche Treiber für den Markt bleiben werden. Und langfristig wäre Joe Biden berechenbarer für die Märkte, allerdings würden die Spannungen mit China möglicherweise nicht aufgelöst werden. Er mag stärker auf Multilateralismus bedacht sein, doch beim Ausüben von Druck auf China geht es eher darum, ausgewogene Verhältnisse beim Handel herzustellen, anstatt ihn zu stoppen – und das bedeutet, dafür zu sorgen, dass Amerika die Muskeln spielen lässt.

Zusätzliche Ausgewogenheit durch Absicherung

Angesichts der miteinander konkurrierenden Treiber für die Volatilität und eines von der Furcht vor einer zweiten Welle geprägten Umfelds setzen wir in unseren Portfolios weiterhin defensive Instrumente ein, können aber über die Titelauswahl von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren hoher Qualität an der Erholung teilhaben.

Ende Juni nahmen wir eine neue Aktienabsicherung auf den S&P 500 vor, die bis zum Ende des Jahres läuft, um die negativen Auswirkungen des Auf und Ab von potenziellen Kursanstiegen und künftigen Kursrückgängen zu begrenzen. Dadurch sind wir auch nie gezwungen, Qualitätsanlagen plötzlich abzustossen, wenn wahllos abverkauft wird.

Unsere Allokation in Gold, das sich in einem risikoaversen Umfeld gut entwickelt, behalten wir noch bei. Wenn der Goldkurs weiter steigt, werden wir Gewinne mitnehmen. Zudem behalten wir angesichts der bei Zentralbanken weiterhin vorhandenen Bereitschaft zu geldpolitischen Interventionen eine Position in langfristigen Anleihen bei. In einer Zeit der heftigen Umschwünge zwischen negativer und positiver Stimmung ist Ausgewogenheit sehr wichtig.