Focus

Wie Green Bonds den Wandel beschleunigen

Dienstag, 07/12/2022

Viele Emittenten von grünen Anleihen sehen nur in einer nachhaltigen Wirtschaft eine Zukunft und streben bereits per 2040 oder früher das für 2050 global proklamierte Netto-Null-Ziel an.

Dienstag 12/07/2022 - 15:22
Sacha Bernasconi Portfolio Manager

Für viele überraschend: Polen begibt im Dezember 2016 als erster Staat eine grüne Obligation (Green Bond) und gewinnt damit das Rennen vor Frankreich, das bereits im April 2016 angekündigt hatte, ein solches, an grüne Zwecke gebundenes Instrument auf den Kapitalmarkt zu bringen. Auf dem gesamten Kapitalmarkt nehmen Staaten, Gebietskörperschaften und auch Unternehmen jedes Jahr tausende Milliarden auf, um Projekte zu finanzieren. Auf der Investorenseite ist er dementsprechend hauptsächlich durch institutionelle Teilnehmer geprägt.

Gerade Polen, bekannt für den Abbau von Kohle, bekannt für die schlechte Luftqualität. Polen, das auch den Earth Overshoot Day1 jeweils regelmässig schon im Mai erreicht. Wie Mathis Wackernagel, Erfinder des Konzepts zum CO2- Fussabdruck es nennt, lebt Polen ab dann auf Pump.

Übersetzt auf die Finanzen würde ab dann ein Budgetdefizit eingefahren. Auch die Schweiz und viele andere Länder haben per Mai jeweils schon ihr ganzes ökologische Jahresbudget verbraucht.

Die Schweiz ist erst mal in den Vorbereitungen und plant die Herausgabe erster grüner Obligationen erst per Ende 20222. Frankreich hat seit 2017 über 54 Milliarden an grünen Obligationen begeben und finanziert damit grüne Projekte. Deutschland hat 2020 eine spannende Grüne Obligation begeben, die genau gleich lang läuft wie ihr nicht grünes Pendant. Daran lässt sich ablesen, wie gross eine Zinsdifferenz der zwei unterschiedlichen Obligationen ist. Effektiv ist die Renditedifferenz mit nur 0.05 Prozent sehr gering. Andere Länder haben die Transformation zur Nachhaltigkeit mittels der Herausgabe von Green Bonds bereits vorangetrieben.: Fidji (erste Grüne Obligation per 2017), Nigeria (2017), Indonesien (2017), Belgien (2018), Litauen, (2018), Irland, (2018), Chile (2019), die Niederlande (2019), Hong Kong (2019), Ungarn (2020), Schweden (2020), Ägypten (2020), Italien (2021), Spanien (2021), Serbien (2021), Kolumbien (2021), Südkorea (2021) Grossbritannien (2021), Kanada (2021) und Österreich (2021).

Was wird mit den Geldern finanziert?

Rund zwei Drittel der aufgenommenen Mittel werden für den Energie- und Gebäudesektor eingesetzt. In den Energiesektor fallen vor allem Massnahmen zur Elektrizität und Wärme. Unternehmen aus der Privatwirtschaft scheinen ganz spezifisch Massnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs zu ergreifen. So hat zum Beispiel Apple aus total USD 2.5 Milliarden Grünen Obligation rund 1.1 Milliarden US-Dollar in den Entwicklungspark in Cupertino und weitere nachhaltige Gebäude investiert. Alleine dadurch kann das Unternehmen jährlich 1.2 Millionen Tonnen CO2-Ausstoss einsparen. Gleichzeitig wurden Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energie mit einer Kapazität von 571 Megawatt installiert, 91’000 Tonnen Abfall vermieden sowie 360 Millionen Liter Wasser gespart, und einige weitere Massnahmen konnten dank der Emission der grünen Obligation erreicht werden.

Verwendungszweck
Verwendungszweck
Quelle
Climate Bonds Initiative, London

Was ist denn derart neu, dass so viele Emittenten bemüht sind, grüne Anleihen zu begeben?

  • Seit Mitte 2014 agiert die International Capital Market Association (ICMA) als Sekretär der Green Bond Principles (GBP).
  • GBP sind freiwillige Richtlinien für die Emission von Grünen Anleihen, die gemeinsam von Marktteilnehmern erstellt wurden mit dem Ziel Transparenz und Integrität des Green-Bond-Marktes zu fördern
  • Neuartig ist: Grüne Obligationen sind zweckgebundene Investments, aber im Wesentlichen bauen sie auf dem bewährten Format von Obligationen auf.

Was mit «Sekretär» und «freiwilligen Richtlinien» zwar unspektakulär tönt, führte dennoch zu einer stillen und leisen Revolution. Denn wer hätte vor 10 Jahren gedacht, dass eines Tages das frische Geld für Grüne Projekte gleich viel oder gar mehr sein wird als das für alle weltweit frisch gezeichneten Aktien? Dieser Wendepunkt scheint nun möglicherweise bereits im 2022 gekommen zu sein. Untenstehende Grafik zeigt wie rasant sich der Markt für Grüne Anleihen seit 2012 entwickelt hat.

Frisches Geld in Aktien- und Grünen Oblgationenmärkten weltweit
Frisches Geld in Aktien- und Grünen Oblgationenmärkten weltweit
Quelle
Bloomberg LEAG tables

Doch reichen die Volumen aus?

Die Internationale Energieagentur schätzt, dass pro Jahr ein Investitionsvolumen von USD 1'000 Milliarden notwendig ist, um die Energiewende zu schaffen. Auch die Climate Bonds Initiative aus London hat sich zum Ziel gesetzt, möglichst rasch über 1'000 Milliarden jährliches Volumen für Grüne Anleihen zu erreichen. Die Non-Profit Organisation ist dabei als Vermittler unterwegs und berät Länder und Unternehmen, wie Grüne Anleihen emittiert werden können.

Während der UNO Klimarat oder auch die Klimajugend berechtigterweise massive Forderungen stellen, um den Klimawandel rasch und konsequent zu bekämpfen, ist der internationale politische Wille darauf ausgerichtet frühestens per 2050 oder später auf Netto-Null umzustellen. Erfreulicherweise sehen aber viele Emittenten von Grünen Anleihen nur in einer nachhaltigen Wirtschaft eine Zukunft und streben per 2040 oder früher das Netto Null Ziel an. Mit diesem freiwilligen und vom Volumen her massiven, aber stillen Umbau bleibt die Hoffnung, dass ein Übergang zu mehr Nachhaltigkeit mithilfe der Finanzmärkte einfacher von Statten geht als von vielen gedacht.