Das Warten auf Godot hat endlich ein Ende. Nach neun Jahren und drei quantitativen Lockerungsprogrammen (QE 1, 2 und 3) hat die Fed in diesem Monat begonnen, ihre Bilanz zu reduzieren. Während die EZB sich erst noch auf die Drosselung vorbereitet, hat in den USA bereits die Ära des Bilanzabbaus und der geldpolitischen Normalisierung begonnen. Die USA sind nicht nur stark, sondern haben immer einen Vorsprung...
... und ihre Maßnahmen hier sind überhaupt nicht verrückt! Sie achten darauf, die Märkte nicht zu beunruhigen, die von der extrem lockeren Geldpolitik sehr profitiert haben. Sollten Sie wie Janet Yellen und die Mehrheit der Notenbanker aufgrund des „mysteriösen“ Verschwindens der Inflation der Waren- und Dienstleistungspreise konsterniert sein, so werden Sie zumindest zustimmen, dass die Geldpolitik die erwartete Wirkung auf die Inflation der Preise für Finanz- und Immobilienanlagen erzielt hat. Die Fed wird daher langsam vorgehen: Sie wird ganz einfach einige Kupons und Anleihen, die ablaufen, nicht mehr reinvestieren. Darüber hinaus wird sie anfänglich den automatischen, aber stark kontrollierten Abbau auf USD 10 Mrd. pro Monat begrenzen und anschließend allmählich auf USD 50 Mrd. anheben. Ich erspare Ihnen die Rechnerei: weniger als USD 300 Mrd. im Jahr 2018 und nicht mehr als USD 600 Mrd. im folgenden Jahr. Mit Yellens Worten ausgedrückt, wird der Abbau der Bilanz so spannend sein „wie Farbe beim Trocknen zuzuschauen“.
Doch die Märkte und die Anleger – auch wir – sind nervös. Deshalb betrachten wir die langfristigen US-Zinsen (falls sie zu schnell steigen) und den Kreditmarkt (falls die Liquidität austrocknet) mit gewisser Sorge. Es fühlt sich ein wenig so an wie das leicht unangenehme Gefühl beim Abheben eines Flugzeugs, wenn kurz der Gedanke an einen möglichen zwar unwahrscheinlichen, aber potenziell katastrophalen Unfall kurz aufkommt. Versuchen wir es mit ein wenig positiver Autosuggestion, damit wir nicht in unbegründete Panik verfallen. Die Fed und die USA stehen zwar im Mittelpunkt der Finanzwelt und der Weltwirtschaft, doch andere große Notenbanken wie die EZB und die BoJ werden weiterhin aufgeblähte Bilanzen haben. Die Nettobilanzsumme der bedeutenden Notenbanken wird daher im nächsten Jahr weiter ansteigen. Hinzu kommt, dass die Zinssätze in den meisten dieser Länder immer noch nahe null sind und die langfristigen US-Zinsen allein kaum zum Höhenflug ansetzen dürften. Schließlich ist die Reaktion des Marktes auf den Bilanzabbau der Fed – oder ihre geldpolitische Straffung durch Zinsanhebungen, wobei die nächste wohl schon im Dezember anstehen könnte – auch von dem Wirtschaftsumfeld abhängig, in dem er erfolgt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nur wegen der geldpolitischen Straffung zu einem Ausverkauf von US-Treasuries kommt, wenn das nominale Wachstum plötzlich einbrechen würde.
Wirtschaftliche Expansion und Haussemarktphasen haben noch nie aus Altersschwäche ein Ende gefunden, deshalb ist es noch immer (viel?) zu früh, um sich Sorgen zu machen. Und ich sage dies nicht nur, um meine eigenen Nerven zu beruhigen!
_Fabrizio Quirighetti