Die Aktienmärkte und allgemein Risikoanlagen trotzen nach wie vor der Schwerkraft der fundamentalen Bewertungen. Wir können zwar nicht von einem völlig irrationalen Überschwang sprechen, aber die Märkte preisen definitiv eine perfekte Welt ein, in der das Wirtschafts- und Gewinnwachstum nur positiv überraschen kann, kein Inflationsdruck vorhanden ist, die Zentralbanken für immer eine expansive Geldpolitik verfolgen und die politischen Risiken niemals eintreten. Die hohen Bewertungen von US-Technologieunternehmen sind ein sichtbares Zeichen der virtuellen Ablösung von der Realität unserer schwierigen Welt. Damit stellt sich die Frage, ob sich die Anleger auf dünnem Eis bewegen. US-Treasuries stehen indes definitiv auf dem Kopf! Tatsächlich ist es etwas überraschend, dass sie nicht reagieren, obwohl die US-Notenbank (Fed) nach über Erwarten hohen Inflationszahlen in letzter Zeit zunehmend restriktivere Kommentare abgegeben hat. Die Frühindikatoren, die Verbrauchervertrauensindizes und die Wirtschaftsaktivität in den USA haben sich den jüngsten Daten zufolge ebenfalls weiter beschleunigt. Entweder hat der Anleihenmarkt bereits einen großen Teil des Konjunkturaufschwungs und seiner Folgen auf die Geldpolitik der Fed vorweggenommen – was angesichts der jetzt schon extrem spekulativen Netto-Short-Positionen auf US-Treasury-Futures durchaus möglich wäre – oder an den Anleihenmärkten herrscht im Augenblick eine gewisse Unbekümmertheit oder Verblendung. Wo sind die Wächter? Zur gleichen Zeit gibt es kaum Finanzwerte, die ein Portfolio im Falle einer Risikoaversion abfangen könnten und deren Bewertungen seit der US-Wahl attraktiver geworden sind. Infolgedessen hat sich der zusätzliche Wert von US-Treasury-Anleihen im Hinblick auf die risikobereinigten Renditen in einem ausgewogenen Portfolio erheblich verbessert. Sie ermöglichen es den Anlegern, einschließlich rein quantitativer Fonds, weiterhin Risikoanlagen wie Aktien, Hochzinsanleihen und Schwellenländerwährungen zu kaufen, indem sie ihre Volatilität und das mit ihnen verbundene Risiko mit einer großen Dosis dieser Anleihen verdünnen. Die reinste Zauberei, nicht wahr? Bis dahin wird eine signifikante Veränderung der Volatilität einer dieser maßgeblichen Anlageklassen bzw. der Korrelation unter ihnen eintreten. Je länger das andauert, umso größer und weniger stabil wird die Mischung. Es könnte tatsächlich noch zu früh sein, um sich Sorgen zu machen, denn es sieht nicht so aus, als würde die Inflation in der westlichen Welt bereits wieder in Erscheinung treten, und die Wirtschaft lässt noch kein Anzeichen dafür erkennen, dass ihr die Luft ausgeht, während die französischen Präsidentschaftswahlen näher rücken. Oder vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall möchten wir steigenden Märkten nicht nachjagen, wenn diese nicht durch gute fundamentale Faktoren unterstützt werden, die auf dem wirtschaftlichen Hintergrund (der im Augenblick gut erscheint) und den Bewertungen (bei denen wir uns Sorgen machen) basieren. Wir ziehen es vor, bei der Allokation unseres Risikobudgets selektiv vorzugehen und uns auf Bereiche zu konzentrieren, in denen wir das Gefühl haben, für die Risiken entschädigt zu werden. Den Abenteuerlustigeren unter Ihnen möchte ich folgende Sprichwörter ans Herz legen, in der Hoffnung, dass Sie darin einen guten Rat sehen oder sie Ihnen wenigstens zu denken geben. „Die Bäume wachsen nicht in den Himmel“ und „Es ist noch niemand daran gestorben, dass er zu früh verkauft hat“.
_Fabrizio Quirighetti