Asset Allocation Insights

Keine gute Zeit für Wagemut am Aktienmarkt

Freitag, 10/23/2020

Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten. Angesichts der in Europa umgehenden Angst vor  einer  zwei- ten Welle, der Unsicherheit über den Brexit und des drohenden Machtwechsels in den USA, könnte man historisch niedrige Bewertungen erwarten. Doch während die von Covid-19 betroffenen Sektoren ab- gestraft wurden, klettern die von Tech-Werten ange- heizten Aktienmärkte auf immer neue Allzeithochs.

Freitag 23/10/2020 - 07:57
Adrien Pichoud Chief Economist & Senior Portfolio Manager
Fabrice Gorin Senior Portfolio Manager

Trotz der schlechten gesamtwirtschaftlichen Lage werden die Märkte von einer Reihe positiver Faktoren gestützt. Die anhaltend positive – wenn auch nachlassende – wirtschaftliche Dynamik, die extrem niedrigen Zinsen, die ultralockere Geldpolitik der Zentralbanken und die überaus großzügigen Regierungen bilden zusammen eine mächtige Kombination für gewinn- oder ertragsgenerierende Vermögenswerte. Die Aktienbewertungen sind im Vergleich zu Anleihen und Zinsprodukten allgemein betrachtet nach wie vor günstig.

Wir sind in unserer Positionierung zwar vorsichtig optimistisch, doch Wagemut ist zurzeit nicht angebracht. Stattdessen sind wir bei Aktien nun neutral positioniert. Kurzfristig sorgt eine Kombination aus einer schwächeren gesamtwirtschaftlichen Dynamik, den   wieder   steigenden   Covid-19-Zahlen   und  den turbulenten Ereignissen rund um die US-Wahlen für Abwärtsrisiken, die mehr Transparenz erfordern. Geduld wird im weiteren Verlauf Chancen eröffnen.

Reduzierung des Aktienengagements

Wir haben unser Portfolio daher neutraler positioniert. Dazu haben wir unser Engagement in Core-US-Aktien-ETFs verringert und aktive Qualitäts- und Value-Strategien miteinander kombiniert. Das weniger günstige gesamtwirtschaftliche Umfeld wird jedoch durch die starke fiskal- und geldpolitische Unterstützung ausgeglichen. Dies schützt vor einem möglichen neuen dramatischen Konjunkturschock und rechtfertigt eine konstruktive gesamtwirtschaftliche Einschätzung für die kommenden 12-18 Monate.

Die Zusammensetzung  des  Kongresses  könnte   sich   auf   den Umfang und die Struktur der Staatsausgaben  im  Jahr 2021 auswirken. Es wird jedoch Möglichkeiten geben, das Risikoengagement in den Portfolios je nach endgültigem Wahlausgang zu erhöhen. Je nach Wahlergebnis, und zwar in einem Szenario, in dem die Demokraten den Präsidenten stellen und in beiden Kammern des Kongresses die Mehrheit erobern, könnten Konjunkturprogramme im Jahr 2021 einige Sektoren der US-Wirtschaft geradezu beflügeln.

Jegliche Nachricht über einen wirksamen Impfstoff gegen Covid-19 würde sich ebenfalls positiv auf die Wachstumsaussichten auswirken, vor allem in den Sektoren, bei denen soziale Interaktionen eine entscheidende Rolle spielen. Wir beobachten die Ereignisse weiterhin aufmerksam.

Die Aktienmärkte der Kernländer der Eurozone sind angesichts des extrem niedrigen Zinsniveaus in Europa attraktiv, doch bei den Märkten der EU-Peripherieländer ist Vorsicht  geboten.  Diese sind unter Bewertungsgesichtspunkten weniger attraktiv und anfälliger  für  Enttäuschungen   oder   negative   Schocks in den nächsten Monaten, zumal die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Europa an Dynamik verliert. Auch die Stärke des Euro könnte für exportorientierte europäische Unternehmen zum Belastungsfaktor werden.

In den Schwellenländern ziehen wir Asien (ohne China) und Osteuropa immer noch Lateinamerika und der MENA-Region vor. Wir meiden weiterhin Länder, die strukturelle finanzielle Schwächen besitzen, von Rohstoffexporten abhängen und dazu noch Währungsrisiken und politische Risiken aufweisen.

Des Weiteren haben wir mit  einem  lokalen  A-Aktien-China- ETF unser Engagement in China erhöht. Der chinesische Markt ist unter Berücksichtigung der Aussichten für das inländische Gewinnwachstum selbst nach einer starken Performance im Sommer immer noch recht attraktiv. Die binnenwirtschaftlich orientierten fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen bieten heimischen chinesischen Aktien eine solide Unterstützung.

Vorsichtige Positionierung in der Duration

Während das Engagement in langfristigen Zinspapieren vor dem Hintergrund der positiven Tendenz einiger Zinsstrukturkurven nach wie vor attraktiv ist, veranlasst uns die Möglichkeit eines Anstiegs der langfristigen Zinsen, insbesondere beim US-Dollar, im Falle eines Biden-Sieges und einer Übernahme des Kongresses durch die Demokraten zu einer taktisch vorsichtigeren Haltung in Bezug auf das Durationsengagement.

Renditen 10-jähriger Staatsanleihen aus den USA, Deutschland und der Schweiz
Nachdem die Renditen langfristiger US-Staatsanleihen historische Tiefstände erreicht haben, ist nach der US-Wahl möglicherweise mit Aufwärtsdruck zu rechnen.
U.S, GERMAN AND SWISS 10-YEAR GOVERNMENT RATES
Quelle
BANQUE SYZ, FACTSET

Mit Blick auf europäische Staatsanleihen sind deutsche Papiere nach dem Rückgang im September weiterhin sehr teuer. Langfristige Staatsanleihen der EU-Peripherieländer sind sowohl absolut gesehen (sie bieten nach wie vor positive Renditen) als auch verglichen mit den negativen Euro-Geldmarktsätzen noch attraktiv.

Bei Unternehmensanleihen liegt unsere Präferenz weiterhin bei Investment-Grade-Papieren. Da sie im Umfeld extrem niedriger Zinsen noch attraktive risikobereinigte Renditen erwarten lassen, sind diese Papiere nach wie vor unsere bevorzugte Subanlageklasse im Festzinssegment.

Die Bewertungen sind offensichtlich weniger interessant als noch vor ein paar Monaten, und die Verschlechterung der Fundamentaldaten spricht für einen verstärkten Fokus auf Qualität und Diversifizierung. Allerdings bleiben Investment- Grade-Anleihen im Vergleich zu Geldmarktpapieren und Staatsanleihen eindeutig attraktiv, wobei die Zentralbanken als Sicherheitsnetz fungieren.

Wir haben nach wie vor eine leichte Präferenz für Hochzinspapiere, weil die Bewertungen immer noch insgesamt attraktiv sind. Der Verlust der wirtschaftlichen Dynamik und die Verschlechterung der fundamentalen  Bonitätskennzahlen  könnten   jedoch   eine weitere rasche und breit angelegte Spread-Verengung verhindern. Dies erfordert innerhalb der Anlageklasse auch weiterhin eine selektive Vorgehensweise.