Asset Allocation Insights

Auf Rotation zum neuen Jahr einrichten

Dienstag, 12/22/2020

Nachdem sie durch die Bekanntgabe eines Covid-19-Impfstoffs anfangs Auftrieb erhalten hatten, haben die Märkte inzwischen an Schwung verloren: auf der einen Seite die Zuversicht für den Ausblick 2021 und auf der anderen Seite die kurzfristigen Sorgen wegen der Auswirkungen durch die zweite Welle.

Dienstag 22/12/2020 - 17:25
Adrien Pichoud Chief Economist & Senior Portfolio Manager
Luc Filip Head of Discretionary Portfolio Management

Wir erwarten aber, dass risikoreiche Anlagen positiv ins neue Jahr starten werden, denn die Bedingungen für eine aufeinander abgestimmte Beschleunigung des Wachstums der Weltwirtschaft sind gut. In den kommenden drei bis sechs Monaten wird – im Zuge der durch die Einführung von Impfstoffen wieder möglichen Aufnahme der Wirtschaftstätigkeit – die Rückkehr von Wachstum und Inflation die in einem langfristigen Zustand der «Japanisierung» befindliche Weltwirtschaft einstweilig entlasten.

Dieses makroökonomische Reflationsszenario hat sich bisher Woche für Woche durch die Konjunkturdaten bestätigt und wird auch durch das Versprechen von anhaltender Unterstützung durch die Zentralbanken getragen. Dennoch erwarten wir nicht, dass sich die Reflation geradlinig entwickelt, denn mit dem Brexit liegt ein mögliches Hindernis im Weg, und Anleger müssen die anhaltende Volatilität im Auge behalten. Darüber hinaus wird es im Falle, dass wir mit einer starken Rallye Einzug ins Jahr 2021 halten, schwierig sein, diese aufrechtzuerhalten – und Anleger werden schnell agieren müssen, wenn sie davon profitieren wollen.

DIE ANHALTENDE ERHOLUNG DER WELTWIRTSCHAFT HEIZT DEN WELTHANDEL AN, BESONDERS DIE EXPORTE AUS ASIEN, ÄHNLICH WIE BEI DER VORHERIGEN REFLATION 2016/2017.
EXPORTE AUS OSTASIEN (JÄHRLICHE ÄNDERUNG) UND INDEX DER AKTIVITÄT IM VERARBEITENDEN GEWERBE WELTWEIT
THE ONGOING GLOBAL RECOVERY FUELS A PICKUP IN GLOB- AL TRADE AND ESPECIALLY ASIAN EXPORTS, SIMILARLY TO THE PREVIOUS “REFLATION” EPISODE IN 2016/17
Quelle
BANQUE SYZ, FACTSET

Taktische Veränderung bei zyklischen Werten

Drei aufeinander folgende Bekanntgaben zu Impfstoffen  liessen zwar die ungeliebten «Substanzwert»-Aktien stark steigen. Allerdings trat an die Stelle dieser Entwicklung bald eine Seitwärtsbewegung. Die seit 10 Jahren anhaltende Underperformance von  Substanzwert-Aktien  wurde  also  nicht ganz durchbrochen. Unserer Auffassung nach haben zyklische Substanzwert-Titel durch den bevorstehenden Reflationszyklus aber mehr Potenzial, sich besser zu entwickeln als Wachstumsaktien, und wir haben unsere Portfolios dementsprechend neu ausgeglichen.

Bei Qualitätsaktien in den Sektoren Technologie, zyklische Konsumgüter und Kommunikationsdienste halten wir schon  seit drei Jahren Übergewichtungen. Die Präsenz in diesen Werten, die auch weiterhin unabhängig von den konjunkturellen Gegebenheiten einen  guten  Stand  haben  werden,  wollen wir zwar aufrechterhalten – und beim langfristigen Trend der Digitalisierung mit dabei sein –, allerdings ist jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Verstärkung der Präsenz in zyklischen Substanzwert-Aktien, um am Aufwärtspotenzial in diesem Segment des Marktes zu partizipieren.

In einem ersten Schritt haben wir einen globalen Substanzwerte- ETF gekauft. Damit vermeiden wir es, auf bestimmte geografische Regionen zu setzen, und wir neutralisieren unsere Sektor- Allokation. Die Auswahl des richtigen Produkts zur Erhöhung der Zyklizität von Portfolios ist nicht  leicht  und  dieser  ETF  wird es uns ermöglichen, vom Aufwärtspotenzial bei den sich schwach entwickelnden zyklischen Sektoren wie beispielsweise Telekommunikation, Industrie, Finanzwerte und bei bestimmten Energiewerten zu profitieren und dabei eine allzu grosse Präsenz in fossilen Brennstoffen und in Aktien von bestimmten stärker problembehafteten Grundstoffen zu vermeiden.

Ebenso ist es wichtig, im Zusammenhang mit Finanzwerten Vorsicht walten zu lassen. Eine steiler werdende Renditekurve dürfte Bankaktien zwar allgemein zugutekommen. Für europäische Banken ist die zugrunde liegende Dynamik aber eine völlig andere als für US-Banken, und wir achten auf strukturellen Gegenwind und idiosynkratische Probleme in dem Sektor.

Wenn sich das von uns erwartete Szenario weiter bestätigt, werden wir in unserer Allokation möglicherweise Feinjustierungen zugunsten von Sektoren oder Werten vornehmen, die von der Rotation profitieren. Wichtig ist es, aufgeschlossen dafür zu bleiben, wie sich die Reflation entwickeln wird, und wenn wir feststellen, dass bestimmte Substanzwert-Positionen über das Ziel hinausschiessen, werden wir bei unseren Positionen mit Qualitätstiteln Reduzierungen ins Auge fassen.

Geografische Aktienallokation einschätzen

Die von uns bevorzugten Aktienmärkte sind nach wie vor die USA und China. Während die USA angesichts von niedrigen Renditen nach wie vor attraktive relative Bewertungen bieten, verdankt China seine Attraktivität dem starken makroökonomischen Momentum und den Aussichten für das Wachstum der Gewinne im Inland, auch nach der im Sommer verzeichneten starken Performance. Unterstützt durch die solide Fiskal- und Geldpolitik ist der weltgrösste Binnenmarkt nach wie vor klar auf dem Weg des Wachstums, und wir haben unter Umständen vor, unsere Kombination aus in Hongkong notierten und inländischen A-Aktien über einen spezialisierten aktiven Manager auszuweiten.

Der europäische Index setzt sich naturgemäss aus eher zyklischen Werten zusammen – vor  allem  mit  Indexbestandteilen  aus der Industrie und der Finanzbranche – und durch die kürzlich vorgenommene Ausrichtung auf Substanzwerte hat sich unsere Präsenz in Europa verstärkt.  Wenn  Grossbritannien  und  die EU keine Einigung auf Handelsbedingungen erzielen können, werden zyklische Aktien und Sektoren mit integrierten regionalen Lieferketten möglicherweise darunter leiden – internationale Akteure wären davon aber nicht übermässig stark betroffen. Dennoch kann es sein, dass die entsprechenden Auswirkungen durch positive Nachrichten zum  Covid-19-Impfstoff  und  durch den Wegfall von Unsicherheiten ausgeglichen werden. Wenn eine Einigung erzielt wird, werden zyklische Aktien in Kontinentaleuropa dadurch weiteren Auftrieb erhalten.

Wenn die Rotation bei Substanzwerten an Momentum gewinnt, wollen wir von der Zyklizität des japanischen Marktes profitieren, der auch eng mit China verbunden ist. Unterdessen werden Schwellenländer vom globalen makroökonomischen Momentum profitieren und wir werden einen globalen  oder auf Asien fokussierten Ansatz in Erwägung ziehen, wenn die Erholung Fahrt aufnimmt.

Unsere Zertifikate zur Aktienabsicherung verlängern wir vorerst nicht. Je nachdem, wie sich der Markt entwickelt, sind wir aber bereit, jederzeit neue einzugehen – zum Beispiel, wenn die Kurse an den Märkten in den ersten fünf bis sechs Wochen des Jahres 2021 durch die Decke gehen.

Steigende Zinsen ausnutzen

Bei Anleihen sollten Anleger zudem versuchen, von dem Mini- Reflationszyklus zu profitieren, besonders weil unserer Erwartung nach auf lange Sicht ein Niedrigzinsumfeld weiter Bestand haben wird.

Sehr wichtig in einem Reflationsszenario ist es, selektiv Allokationen in risikoreichen Anlagen vorzunehmen,  dabei aber die Auswirkungen eines  möglichen  Anstiegs  der  Zinsen in Grenzen zu halten. Wir bevorzugen Instrumente mit kurzer Duration, vor allem in Schwellenländeranleihen. Diese profitieren vom anziehenden Wachstum der Weltwirtschaft und von der Abschwächung beim US-Dollar.

Darüber hinaus setzen wir Hedging-Strategien zur Minimierung der Zinssensibilität um – und zwar durch den Kauf von Anleihen, die eine Präsenz in attraktiven Spreads, Carry oder Emittenten bieten, bei gleichzeitigen Short-Positionen in US-Dollar- Zinspapieren mit entsprechender Laufzeit.

Inflationsgeschützte Wertpapiere bieten noch immer einen gewissen Wert im Vergleich zu Barmitteln, obwohl sie nicht dafür ausgelegt sind, dass man mit ihnen in einem Reflationsszenario Geld verdient. Vorsicht lassen wir indessen bei Staatsanleihen walten, besonders bei US-Treasuries, da die  US-Renditekurve am stärksten anfällig dafür erscheint, wegen pessimistischer Stimmung steiler zu werden.