Mit einer neuen Runde der geldpolitischen Akkommodierung dürfte es den Zentralbanken in den Industrieländern gelingen, den Konjunkturzyklus – künstlich – zu verlängern, wobei sie von einer Normalisierung der Zinsen absehen, um das System zu stützen. Nach einem Jahrzehnt der finanziellen Repression ist die Verschuldung nach wie vor zu hoch, und das nominale Wachstum ist trotz eines Jahrzehnts der ultralockeren Geldpolitik zu gering. Das Wirtschaftswachstum in den Industrieländern wird Schätzungen zufolge gegen Ende des ersten Quartals die Talsohle erreichen. Anschliessend dürfte es zu einem Anstieg in die Nähe des Potenzialwachstums kommen. Das ist weder ideal, noch dürfte es ausreichen, um Inflationssorgen auszulösen. Wir befinden uns daher wieder in einer Situation, die man fast als Goldilocks-Szenario bezeichnen könnte: keine Rezession, geringe Inflation und keine Zinserhöhungen. Die zusätzliche Liquidität hat die Volatilität gesenkt, die Vermögenspreise aufgebläht und erneut eine Jagd nach Rendite ausgelöst. Da die Wirkung der geldpolitischen Stimuli schon bald nachlassen dürfte und die Bewertungen nicht besonders attraktiv sind, ist es allerdings zu spät, der Rally hinterherzujagen.
Deshalb nahmen wir in diesem Monat keine grösseren Änderungen an der Allokation vor. Wir setzen weiterhin auf Titel mit attraktivem Carry, Wachstum, relativ günstigen Bewertungen und Diversifizierung. In diesem Zusammenhang bevorzugen wir Schwellenländeranleihen in Hartwährung und nachrangige Anleihen aufgrund des Carry und relativ günstiger Bewertungen. Gleichzeitig werden auch Schwellenländeranleihen in Lokalwährung für uns interessanter angesichts der geduldigen und gemässigten Haltung der US-Notenbank, die sowohl den Anstieg der US-Renditen als auch die Stärke des US-Dollar begrenzen dürfte. Im Aktienbereich halten wir an der Übergewichtung der USA als Wachstumsmotor und der Übergewichtung Chinas sowie Grossbritanniens aus Bewertungsgründen fest. In Europa und Japan, wo wir kurzfristig keine Wachstumsimpulse sehen, und in den Schwellenländern ohne Asien, wo die Bewertungen weniger attraktiv sind, sind wir hingegen untergewichtet. Was die Diversifizierung betrifft, spielen die Duration, Gold und ein Engagement im japanischen Yen für uns eine wichtige Rolle.
Wo liegen die Risiken? Auf politischer Ebene ist der Handelskrieg noch lange nicht vom Tisch; es wird keine Rückkehr zu den guten alten Zeiten einer ‹flachen› Welt der Globalisierung geben; und in der unendlichen Brexit-Geschichte beginnt gerade ein weiteres Kapitel. Doch das sind bekannte Unbekannte, die möglicherweise noch nicht vollständig in den Kursen berücksichtigt sind, aber breit diskutiert werden. Mehr Sorge bereitet mir die Frage, inwieweit das Goldilocks-Szenario bereits eingepreist ist, wie solide es ist und wie lange es somit anhalten kann. Ich bin nicht davon überzeugt, dass es dauerhaft Bestand haben kann, da die Konjunkturdaten schon bald entweder eine Stabilisierung des nominalen Wachstums bestätigen werden, sodass wenig später Erwartungen von Zinserhöhungen aufkommen dürften, oder im Gegenteil auf ein erhöhtes Rezessionsrisiko hindeuten werden. «Silverlocks»-Szenario beschreibt die aktuelle Situation möglicherweise besser als Goldilocks-Szenario. Selbstzufriedenheit angesichts einer niedrigen Inflation, ausbleibender Zinserhöhungen sowie einer ausbleibenden Rezession ist in diesem Jahr das Hauptrisiko.
_Fabrizio Quirighetti