Focus

Wie Anleger Verluste im Falle einer zweiten Welle begrenzen können

Freitag, 05/29/2020

Die Corona-Beschränkungen werden weltweit allmählich gelockert, und die Anleger stellen sich die Frage, wie die Erholung verlaufen wird. Zwar greift schon wieder vorsichtiger Optimismus um sich, die Situation an den Märkten ist jedoch nach wie vor schwierig. Weitere positive Konjunkturdaten würden die Markterholung stützen, doch eine zweite Infektionswelle könnte eine Abwärtsspirale in Gang setzen.

Freitag 29/05/2020 - 09:59
Luc Filip Head of Discretionary Portfolio Management
Fabrice Gorin Senior Portfolio Manager
Adrien Pichoud Chief Economist & Senior Portfolio Manager

Portfolios unter Berücksichtigung beider Szenarien aufzubauen, ist ein schwieriger Balanceakt. Ein Fokus auf hochwertige Risikoanlagen in Kombination mit Absicherungen kann vor Kursverlusten schützen, während die Anleger gleichzeitig von einer Markterholung profitieren würden.

Vorsichtig konstruktiv

Wir erwarten nicht, dass die Coronavirus-Krise zu einer anhaltenden Rezession in den nächsten zwölf Monaten führen wird. Angesichts der Stützungsmassnahmen der Regierungen und Zentralbanken dürfte die Lockerung der harten Corona-Beschränkungen es ermöglichen, dass zu Beginn des Sommers wieder eine positive Konjunkturdynamik einsetzt. Eine Erholung auf das Vorkrisenniveau wird jedoch einige Quartale dauern, nachdem das BIP in den meisten Industrieländern um mehr als 10 % gesunken ist.

Der Aufschwung wird durch die Wiederbelebung der Binnennachfrage und Erholung des Dienstleistungssektors in den Industrieländern angetrieben werden, wenn es wieder möglich ist, Waren und Dienstleistungen zu konsumieren, und die Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen. Die Entwicklung der Industrietätigkeit ist hingegen schwieriger vorherzusagen, hier könnte die Schwäche länger anhalten. Der Aufschwung wird ungleichmässig verlaufen, wobei sich bestimmte Sektoren und Länder langsamer erholen.

Die Aktienmärkte schalteten im März in den Panikmodus und preisten eine schwere Rezession ein, sodass eine starke Diskrepanz zwischen der Wirtschaftsleistung und der Marktentwicklung bestand. Die Märkte gehen nun wieder eher von einer Erholung aus, und Risikoanlagen sind angemessen bewertet. Negative Nachrichten könnten daher schnell zu weiteren Kursrückgängen führen. Es bestehen somit Auf- und Abwärtsrisiken an den Aktienmärkten.

Qualität ist ein Muss

Da die weitere Entwicklung an den Märkten ungewiss ist und die Erholung aller Voraussicht nach ungleichmässig verlaufen wird, sollte man sehr selektiv vorgehen. Zu Beginn der Pandemie im März haben wir das Portfoliorisiko zügig reduziert. So verringerten wir die Aktienquote in unseren Multi-Asset-Portfolios deutlich. Seit Ende März, als sich die Indikatoren zu erholen begannen, erhöhten wir das Risiko allmählich, wobei wir uns auf Qualitätstitel konzentrierten.

An den Obligationenmärkten sorgt die Ausweitung der Spreads für attraktive Einstiegspunkte bei Investment-Grade-Unternehmensanleihen, da Titel von Firmen mit starken Bilanzen in Zeiten der wirtschaftlichen Unsicherheit mehr Wertpotenzial bieten als Hochzinsanleihen. Wir stuften die Anlageklasse auf «starke Präferenz» herauf und investierten in zwei neue aktive Fonds. Im festverzinslichen Bereich schneiden die am höchsten gewichteten Emittenten – anders als bei Aktien – nicht immer am besten ab, weshalb wir aktive Manager bevorzugen.

Angesichts der hohen Streuung an den Aktienmärkten halten wir an den High-Conviction-Positionen fest, die bereits vor Covid-19 Rückenwind hatten: Technologie, Gesundheitswesen und Konsumgüter. Ob die aktuelle Krise tiefgreifende strukturelle Veränderungen bewirkt oder nur bereits bestehende Trends beschleunigt, bleibt abzuwarten. Die genannten Sektoren dürften in beiden Fällen profitieren. Strukturelle Veränderungen würden beispielsweise aller Wahrscheinlichkeit nach weitere Investitionen in Technologie nach sich ziehen, während eine Rückkehr zur Normalität den seit langem bestehenden Trend einer steigenden Nachfrage nach Technologie ebenfalls unterstützen würde.

Substanzwerte, deren Kurse deutlich gefallen sind, halten wir hingegen nicht für attraktiv, da die Zinsen auf absehbare Zeit auf historischen Tiefständen bleiben dürften und die Energienachfrage wahrscheinlich schwach bleiben wird, wenn die Klimaziele in den Vordergrund rücken.

Langfristige Aussichten

Die strukturellen Faktoren, die die Inflation in den letzten zehn Jahren gedämpft haben, wie die zunehmende Produktivität und die demographische Entwicklung, werden nicht über Nacht verschwinden. Dennoch könnten eine Abkehr von der Globalisierung und mögliche Zollerhöhungen in bestimmten Sektoren die Preise nach oben treiben. In dieser Hinsicht ist der Markt aus unserer Sicht zu pessimistisch, und wir halten es für wahrscheinlich, dass die Inflation die Erwartungen mittelfristig übertreffen wird.

Deshalb bevorzugen wir inflationsgeschützte Anleihen gegenüber Staatsanleihen. In den USA und den meisten europäischen Ländern sind die impliziten Inflationsraten und die aktuellen Kurse dieser Titel sehr niedrig. Wenn die Inflation mittelfristig steigt, werden die Kurse dieser Anleihen profitieren. Die Nominalzinsen dürften angesichts der anhaltenden Stützungsmassnahmen der Zentralbanken langfristig niedrig bleiben, und wir sind der Ansicht, dass die Realzinsen sogar noch weiter sinken könnten. Diese Erwartung spiegelt sich in unserer Portfoliopositionierung und ist massgeblich für drei wichtige Anlageentscheidungen. Niedrigere Realzinsen unterstützen nicht nur unsere Präferenz für inflationsgebundene Anleihen, sie sind auch entscheidend für unsere positive Haltung gegenüber Gold sowie positive Einschätzung der Aktienbewertungen, da die Anleger bereit sind, für qualitativ hochwertige Unternehmen mit hoher Prognosesicherheit und starken Bilanzen eine Prämie zu zahlen.