Die Finanzmärkte wurden von den klaren Signalen der US-Notenbank (Fed) und der EZB angetrieben, dass für die zweite Jahreshälfte eine weitere geldpolitische Akkommodierung wahrscheinlich sei. Der Mix aus niedriger Inflation und positivem Wirtschaftswachstum ist für die Anleger ein starker Anreiz, in ihren Portfolios mehr Risiko einzugehen, indem sie sich auf die Jagd nach positiven Renditen begeben – denn ein zunehmender Anteil des Anleihemarktes bietet inzwischen nur negative Renditen – und sich als Methode der Wahl für die Generierung von Performance an Aktien halten.
Freilich ist die Kombination aus niedrigeren Zinssätzen und beruhigenden Wirtschaftsdaten, vor allem in den USA, ein deutlich positives Zeichen für Aktien, Unternehmensanleihen und Schwellenländerwerte. Allerdings waren die Kursbewegungen in den letzten Wochen recht schnell und zügellos, besonders bei Anleihen.
Das hat wenig Sicherheitsspielraum für unerwartete Entwicklungen gelassen, ganz so, als ob ein anhaltender Zyklus von Zinssenkungen durch die Fed zu 100% garantiert wäre, nebst Zinssenkungen durch die EZB und einer Wiederaufnahme der Wertpapierkäufe. Ganz so, als ob der auf dem G-20-Gipfel in Bezug auf die Handelsspannungen zur Schau gestellte Waffenstillstand zwischen Trump und Xi dauerhaft wäre und letztendlich zu einer Klärung führen würde. Ganz so, also ob Interventionen der Zentralbanken eine Rezession verhindern würden. Und ganz so, als ob eine Verbesserung bei Wirtschaftswachstum und Inflation, bei deren Eintreten die Fed und die EZB wahrscheinlich eine weniger gemäßigte Haltung einnehmen würden, ausgeschlossen werden könnte.
Garantiert ist nach unserer Auffassung nichts davon. Damit sind wir in der Situation, nicht gegen die ankommende Liquiditätswelle, die von den Zentralbanken ausgelöst wurde, ankämpfen zu wollen, aber sozusagen beim Wellenreiten ganz vorn mit dabei wollen wir dann auch nicht sein. Die Bewertungen erscheinen in allen Bereichen recht hoch, und das Potenzial für weitere Aufwärtsbewegungen ist im derzeitigen makroökonomischen Umfeld anscheinend begrenzt.
Wir haben deshalb bei unserem im Vormonat angehobenen Exposure in Unternehmensanleihen Gewinne mitgenommen. Andererseits müssen wir einräumen, dass die negative oder rückläufige Rendite von ‚sicheren‘ Anlagen de facto eine starke Unterstützung für risikoreichere Vermögenswerte erzeugt – und positive wirtschaftliche Entwicklungen können nicht ausgeschlossen werden. Deshalb halten wir an unserer bestehenden Allokation in Aktien und Schwellenländerwerten fest, ebenso wie an einem gewissen Engagement in qualitativ hochwertiger Duration sowie in Gold und im Yen, um potenzielle negative Risiken für den makroökonomischen Ausblick auszugleichen.
Bis wir sagen können, ob die Lockerung der Geldpolitik es schafft, dem wirtschaftlichen Momentum einen Schub zu geben, oder ob sie hingegen zu spät kommt, um den makroökonomischen Abwärtstrend umzukehren, ist eine weiterhin „vorsichtig neutrale“ Haltung bei Asset-Allokation und Sektoren die beste Möglichkeit, um sich an den Märkten zurechtzufinden.
_Fabrizio Quirighetti