Focus

Die Covid-19-Krise zeigt, wie wichtig unkorrelierte Renditen sind

Montag, 04/20/2020

Auf der jährlichen Konferenz für alternative Investments von SYZ im Januar warnte der Gründer von CQS, Sir Michael Hintze, die anwesenden Grossanleger: Eine Pandemie kann schon bald die globalen Märkte erschüttern. Dieser «schwarze Schwan» würde einen asymmetrischen Schock verursachen, mit weitreichenden Konsequenzen für die Weltwirtschaft und das Finanzsystem.

Nur wenige Wochen nach dieser Vorhersage liess das Covid-19-Virus die zuvor hoch bewerteten Märkt einbrechen. Nun steht die Portfoliodiversifizierung erneut unter Druck. Unterdessen bemühen sich die politischen Entscheidungsträger weltweit, die Auswirkungen auf die Wirtschaft zu begrenzen.

Montag 20/04/2020 - 15:13
Marc Syz Managing Partner

PANDEMIE AN DEN MÄRKTEN

Wir gingen zwar nicht davon aus, dass der Ausbruch einer Pandemie unmittelbar bevorsteht, waren aber sehr besorgt wegen der hohen Bewertungen. In den Wochen vor der Pandemie deutete unser Modell der Asset-Allokation auf ein spätzyklisches Konjunkturumfeld hin. Viele Anleger stiegen in den Private-Equity-Markt ein oder erhöhten bereits bestehende Engagements – obwohl in dieser Assetklasse die Bewertungen bereits überzogen und die Verschuldungsraten der Unternehmen hoch waren. Sowohl bei traditionellen Anlageklassen als auch bei alternativen Investments zeigten unsere Modelle: Bei einer Reihe von Risikoanlagen bestand eine Diskrepanz zwischen den Bewertungen und ihrem Renditepotenzial. Dies veranlasste uns zu einer Überprüfung unserer Asset-Allokation und unserer Risikoengagements.

Wir richten unser Augenmerk auf Segmente des Privatmarkts, die von den meisten traditionellen Anlegern aufgrund ihrer Grösse, Komplexität oder Laufzeit nicht beachtet werden. Bei der Suche nach Anlagechancen konzentriert sich unser Research daher auf unkorrelierte und niedriger bewertete Anlagen.

Ein anschauliches Beispiel für diese Vorgehensweise ist unser Engagement im Bereich Prozessfinanzierung: Hierbei handelt es sich um eine schnell wachsende Anlageklasse, deren Renditen nicht mit den Kapitalmärkten korrelieren. Eine Drittpartei übernimmt hier die Kosten für die Durchsetzung von Rechtsansprüchen eines Klägers. Im Gegenzug erhält der Finanzierer entweder ein Vielfaches der Kosten oder einen prozentualen Anteil am erstrittenen Betrag.

Die Ursprünge dieser Vorgehensweise reichen bis in die Antike zurück. Athener unterstützten als unbeteiligte Dritte eine der Prozessparteien in einem Rechtsstreit. So war beispielsweise Apollodorus, ein reicher Bankierssohn, dafür bekannt, dass er Anteile an Prozessen kaufte und professionelle Redner anheuerte, um Plädoyers zu verfassen.

“Wir richten unser Augenmerk auf Segmente des Privatmarkts, die von den meisten traditionellen Anlegern aufgrund ihrer Grösse, Komplexität oder Laufzeit nicht beachtet werden."
Marc Syz Managing Partner

KLASSISCHE PRAXIS

Die Prozessfinanzierung gewann Ende der 1990er Jahre in Australien erneut an Beliebtheit und breitete sich schnell in Grossbritannien, den USA und anderen Ländern wie Brasilien und Singapur aus. Ein wachsender Bedarf an Prozessfinanzierungen besteht aus buchhalterischen Gründen. So werden Interessenkonflikte vermieden und Kosten gespart.

Diese Vorgehensweise hat es ermöglicht, dass in den letzten Jahren David-gegen-Goliath-Fälle in die Schlagzeilen kamen. Beispielsweise erhielt das kleine britische Unternehmen Miller eine riesige Schadenersatzsumme vom US-Baumaschinengiganten Caterpillar, dem eine Verletzung geistigen Eigentums bei einem wichtigen Bauteil einer Schwermaschine vorgeworfen wurde.
 

DER MARKT FÜR PROZESSFINANZIERUNG

Die Anlageklasse erfordert ein hohes Mass an Fachwissen, weist eine geringe Konjunkturabhängigkeit auf und verfügt über einen reproduzierbaren Rahmen. Das alles ermöglicht attraktive und stabile Renditen. Der Anteil der globalen Anwaltskanzleien, die Prozessfinanzierung anbieten, ist von 7% im Jahr 2013 auf 36 % im Jahr 2017 gestiegen. Grossbritannien ist der reifste Markt für Prozessfinanzierung, während die USA den grössten Markt darstellen. In den USA herrscht auch der grösste Wettbewerb, da die Kläger im Falle der Niederlage nicht für die Kosten der Beklagten aufkommen müssen und die Anwaltsfirmen das finanzielle Risiko der Rechtsstreitigkeiten übernehmen.

Derzeit wird nur ein Bruchteil der Rechtsstreitigkeiten finanziert, sodass hohes Wachstumspotenzial besteht. Allerdings ist es wichtig, mit erfahrenen Prozessfinanzierern zusammenzuarbeiten, die über ein ausgedehntes Netzwerk, eine nachgewiesene Erfolgsbilanz, einzigartigen Marktzugang und gut strukturierte Abläufe verfügen. Sie müssen daher sorgfältig ausgewählt werden. Diversifizierung ist auch bei dieser Strategie entscheidend. Denn die Verteilung der Renditen ist leptokurtisch, was ein hohes Mass an höheren und niedrigeren Renditen impliziert.

Die Dynamik dieser Anlageklasse ähnelt der bei der Vorfinanzierung von Musikprojekten, wie sie in den 1990er Jahren von David Bowie vorangetrieben wurde. Die Prozessfinanzierung stellt eine Form der Verbriefung in einer neuen Anlageklasse dar. Sie ist nicht mit Finanzmärkten wie den Aktien- oder Anleihemärkten korreliert und bietet daher grosse Diversifizierungsvorteile im Portfoliokontext. Die Branche weist zudem keine Korrelation mit der Gesamtwirtschaft auf – ganz im Gegenteil: Marktabschwünge führen im Allgemeinen zu einer Zunahme der Rechtsstreitigkeiten und damit der Transaktionen.

HOHES POTENZIAL

Der Markt für Prozessfinanzierung ist noch weitgehend unerschlossen, und nur bei wenigen Fällen herrscht harter Wettbewerb. Hedgefonds und andere Akteure verfügen nicht über das Fachwissen, um Einzelfälle zu finanzieren. Dies erfordert enge Beziehungen zu Anwaltskanzleien, Humankapital, einen effizienten Due-Diligence-Prozess und Expertise. Dennoch wächst die Nachfrage stark, und die Finanzierer sind gut aufgestellt, um auf absehbare Zeit überdurchschnittliche Renditen zu erzielen. In dieser Hinsicht ist Prozessfinanzierung mit Private-Equityoder Private-Debt-Strategien vor 10 bis 15 Jahren vergleichbar.

Risikomanagement ist ein integraler Bestandteil unseres Anlageprozesses. Mithilfe unserer unternehmenseigenen Modelle und Indizes können wir sowohl endogene als auch exogene Risiken frühzeitig erkennen. Dadurch sind wir in der Lage die Abwärtsrisiken zu verringern, welche von Ereignissen ausgelöst werden, die von anderen als unvorhersehbar betrachtet werden und die Gesamtperformance langfristig schmälern können. Zusätzlich ermöglichen uns unsere regelmässigen Portfolioüberprüfungen und Makro-Overlays sowie unsere Partnerschaften mit Experten, unsere diskretionären Portfolios sowie die Portfolios der Kunden, die wir beraten, vor Risiken zu schützen.

In einer Phase geringen Wachstums wird es immer schwieriger, unkorrelierte Renditen zu generieren. Anleger müssen ihr Anlagespektrum erweitern, um langfristig starke risikobereinigte Renditen erzielen zu können. In diesem Umfeld sind Nischenanlageklassen wie Prozessfinanzierung wichtige Diversifizierungsmöglichkeiten.